Euro-Inflation legt überraschend zu
Euro-Inflation legt überraschend zu
Euro-Inflation legt überraschend zu
Preisanstieg bei Dienstleistungen weiterhin hoch – Ökonomen erwarten jedoch baldigen Rückgang
mpi Frankfurt
Die Inflation im Euroraum fällt im November etwas höher aus als von Volkswirten erwartet. Das liefert ein weiteres Argument für eine Verlängerung der Zinspause kurz vor Weihnachten durch die Europäische Zentralbank. Eine Lockerung der Geldpolitik im kommenden Jahr ist jedoch nicht vom Tisch.
Der Preisauftrieb im Euroraum ist kraftvoller als erwartet. Die EZB dürfte sich nun darin bestätigt sehen, dass ihre abwartende Haltung bei der Geldpolitik angebracht ist. Im November legte die Inflation von 2,1 auf 2,2% zu, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag meldete. Von der Nachrichtenagentur „dpa-afx“ befragte Ökonomen hatten dagegen eine stabile Jahresrate erwartet.
Der Inflationsdruck geht derzeit vor allem von Dienstleistungen aus, die sich um 3,5% verteuerten nach 3,4% im Oktober. Die EZB selbst, aber auch Ökonomen von anderen Instituten, erwarten jedoch einen baldigen Rückgang der Dienstleistungsinflation. Sie führen dies darauf zurück, dass die Löhne im Euroraum in den kommenden Quartalen weniger stark zulegen dürften als noch zuletzt. Gerade im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor spielt die Lohnentwicklung für die Inflation eine wichtige Rolle.
Negative Monatsraten bei der Inflation
Bereits in den November-Daten zeigt sich eine Tendenz für eine nachlassende Dienstleistungsinflation. Die Monatsrate, also die Preisentwicklung zwischen Oktober und November, lag bei −0,8%. Auch bei der Inflation über alle Branchen hinweg gab es eine negative Monatsrate, und zwar von −0,3%.
Der EZB-Rat kommt am 18. Dezember für seinen letzten Zinsentscheid des Jahres zusammen. Viel spricht dafür, dass die Zentralbank die Leitzinsen abermals stabil halten wird – erst recht nach dem Inflationsanstieg im November. Denn die Sorge der Notenbanker gilt derzeit eher einer mittelfristig unerwünscht niedrigen Inflation als einer zu hohen. Daher gibt es weiterhin Diskussionen, ob die EZB die Geldpolitik in diesem Zinszyklus noch einmal lockern wird.
Risiko aus China
„Nach der Jahreswende dürfte sich die Spekulation über eine weitere EZB-Zinssenkung verstärken, weil die gesamte Inflationsrate wegen eines Basiseffekts kurzzeitig unter das EZB-Ziel von 2% sinken sollte“, sagt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Stephanie Schoenwald, Ökonomin bei KfW Research, erwartet in ihrem Basisszenario keine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank im kommenden Jahr. „Allerdings besteht das Risiko, dass durch die Umlenkung günstiger Importprodukte nach Europa die Preise von Industriegütern unter Druck geraten und die EZB zu weiteren Leitzinssenkungen veranlasst wird.“
Durch den Zollkonflikt mit den USA könnte China in größerem Umfang günstige Produkte statt in die Vereinigten Staaten in die Eurozone exportieren und so in Europa Disinflation verursachen. Dieses Szenario bezeichnet auch die EZB selbst als ein mögliches Abwärtsrisiko für die eigene Inflationsprognose.
Neue Projektionen der EZB
Alexander Krüger, Chefökonom der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, hält die aktuelle Projektion der EZB dennoch für zu niedrig und nicht für zu hoch. „Die EZB kann sich beruhigt zurücklehnen und die Leitzinsen dort belassen, wo sie sind“, schlussfolgert Krüger daher. In ihrer aktuellen Projektion beziffert die Notenbank die durchschnittliche Inflation im kommenden Jahr auf 1,7%. Im Rahmen des Zinsentscheids am 18. Dezember werden die Ökonomen der Notenbank ihre Projektion aktualisieren. Diese wird erstmals auch Schätzungen für das Jahr 2028 beinhalten.
„Pulver trocken halten“
Geringfügige und temporäre Abweichungen vom Inflationsziel will die EZB tolerieren. Das hat die Notenbank zum einen in ihrer im Sommer überarbeitende geldpolitischen Strategie festgehalten. Zum anderen hat zuletzt eine ganze Reihe an EZB-Ratsmitgliedern vor Mikromanagement in der Geldpolitik gewarnt, darunter der kroatische Notenbankpräsident Boris Vujčić im Interview der Börsen-Zeitung.
Offen ist jedoch, wann eine Abweichung noch geringfügig ist und wann noch temporär. Die EZB-Ratsmitglieder halten sich diesbezüglich bedeckt, um flexibel in der Geldpolitik zu bleiben. EZB-Rat Martin Kocher betonte zu Wochenbeginn, dass er derzeit keinen Handlungsbedarf für die Notenbank bei den Leitzinsen sieht. Er gehört zu dem Lager in der EZB, das einen eher restriktiveren geldpolitischen Kurs befürwortet.
Kocher verwies im Interview mit dem „Kurier“ nicht nur darauf, dass geringfügige Abweichungen vom Inflationsziel zu tolerieren seien. Der österreichische Notenbankchef warnt zudem davor, mit dem für die Geldpolitik wichtigen Einlagensatz zu nah an 0% zu kommen. „Wir sollten genug Pulver trocken halten, um rasch reagieren zu können, wenn das nötig werden sollte.“ Aktuell liegt der Einlagensatz bei 2,0%.
