AnalyseTrumps „Rachesteuer“

Europa droht Neuauflage von Trumps „Section 899“

US-Präsident Donald Trump hat die „Strafsteuer“ auf US-Erträge von Ausländern nur pausiert. Als Damoklesschwert hängt sie weiterhin über den Köpfen der Europäer. Washington läutet die nächste Runde im Kampf um die Weltdominanz ein.

Europa droht Neuauflage von Trumps „Section 899“

Europa droht Neuauflage von Trumps „Section 899“

Die US-Regierung setzt Brüssel weiter unter Druck und verlangt die Streichung von Digitalsteuern und des Digital-Service-Act – Strafsteuern als Hebel

Von Stephan Lorz, Frankfurt

US-Präsident Donald Trump hat die „Strafsteuer“ auf US-Erträge von Ausländern nur pausiert. Als Damoklesschwert hängt sie weiterhin über den Köpfen der Europäer bei allen Entscheidungen Brüssels zu Steuern und Regulierung. Der Grund: Trump sieht die Techkonzerne als Vehikel zur digitalen Hegemonie der USA.

Nachdem die G7-Staaten US-Unternehmen von der globalen Mindestbesteuerung ausgenommen und die US-Steuerregeln als „gleichwertig“ anerkannt haben, hatte US-Finanzminister Scott Bessent die zunächst angedrohten Strafsteuern wieder eingepackt. Im Trumpschen Gesetzespaket „Big Beautiful Bill“ war nämlich eine „Section 899“ integriert, die als „Rachesteuer“ bezeichnet und als Drohung gegen unbotmäßig auftretende Länder verstanden wurde. US-Einkünfte von Ausländern wie Dividenden, Erträge aus amerikanischen Betriebsstätten, Zins- und Lizenzzahlungen sollten mit Sondersteuern wegen „unfairer ausländischer Steuern“ beaufschlagt werden, so das pauschale Argument. Neben der globalen Mindestbesteuerung wurde darunter auch der CO₂-Steuer-Grenzausgleich, Digitalsteuern und die Mehrwertsteuer subsumiert.

Rückzieher bei Mindeststeuer

Insofern atmeten die Europäer erst einmal auf, dass schon der Rückzieher bei der Mindestbesteuerung ausgereicht hatte, um den Gesetzespassus zu streichen. Allerdings gehören natürlich auch die US-Tech-Giganten und amerikanischen Pharmakonzerne zu den Gewinnern der neuen Regelung. Sie bleiben nun von höheren „Mindeststeuern“ verschont, obwohl sie etwa vom Niedrigsteuerparadies Irland aus agieren. Auch das war ein starkes Argument für Trump gewesen, den „Mindeststeuerdeal“ zu akzeptieren.

Doch gibt es auch andere Gründe, weshalb Washington nicht aufs Ganze ging? Denn auch für die USA wäre der Schaden durch die „Rachesteuer“ beträchtlich gewesen. US-Investments hätten sich kaum mehr gelohnt. Die zusätzliche Steuerbelastung hätte zu einem Exodus ausländischer Investoren geführt. Der Dollar wäre geschwächt, seine Rolle als Weltleitwährung gefährdet worden; und obendrein hätte auch der US-Finanzmarkt als Nabel internationaler Investitionen enorm an Attraktivität verloren.

Zölle als erster Schritt

Noch ein Aspekt kam hinzu: Bei den laufenden Zollverhandlungen argumentierte die US-Regierung ja, dass sie mehr Auslandsinvestitionen ins Land holen möchte. Die höheren Zollmauern sollten Unternehmen locken, lieber gleich „vor Ort“ zu produzieren, statt über den großen Teich zu liefern. Eine Strafsteuer auf Investitionen hätte die Chancen auf jedwede Zolleinigung dramatisch verringert. Doch sie sind als Teil der Gegenfinanzierung zu den Steuersenkungen im Rahmen der „Big Beautiful Bill“ bereits eingepreist.

Doch, nach dem Zolldeal ist vor dem Steuerdeal. Die Zollverhandlungen sind für viele Länder passé. Es gibt zumindest Rahmeneinigungen. Und schon macht die US-Regierung ein neues Fass auf mit den Themen, die sie bei den G7-Verhandlungen scheinbar ausgeblendet hatte: Digitalsteuer, Digital-Service-Act (DSA), Mehrwertsteuer und CO₂-Grenzausgleich. „Wer sagt, dass Trump nicht bei nächster Gelegenheit wieder eine Strafsteuer per Dekret erlässt?“, fragt die Wirtschaftsprüfungskanzlei Grant Thornton in einer Analyse zur US-Steuerpolitik.

Verzögerungen bei den G7

Jedenfalls ist die Drohung mit der Neuauflage einer „Section 899“ weiter präsent, wie auch die Wirtschaftsprüfer von Deloitte warnen, weil die Umsetzung der G7-Mindeststeuerreform weiter aussteht. Die Zeit drängt, Verhandlungen und Umsetzungen stocken. Bis Ende 2025 muss alles in trockenen Tüchern und in nationaler Gesetzgebung verabschiedet sein. Länder, denen das nicht gelingt, könnten gleich ganz aus der Vereinbarung heraus rotieren – ganz im Sinne von Trump. Das globale Steuerregime wackelt also.

Und wenn die verbliebenen Staaten die Umsetzung nicht hinkriegen, dürften alsbald neue Drohungen über den Atlantik schallen. Der Vorsitzende des Ways and Means Committee, Jason Smith, und der Vorsitzende des Finanzausschusses, Mike Crapo, warnten schon mal, dass die Republikaner bereit seien, „sofort Maßnahmen zu ergreifen, wenn die anderen Parteien von dieser Vereinbarung zurücktreten oder ihre Umsetzung verzögern“.

Vorwurf der Zensur

Zugleich werden US-Politiker aus der Trump-Administration sowie aus Senat und Repräsentantenhaus nicht müde, den nächsten politischen Schlagabtausch vorzubereiten. Sie nehmen die europäische Digitalregulierung aufs Korn. Auf einer Europareise warf der Abgeordnete Jim Jordan, Vorsitzender des Justizausschusses des Repräsentantenhauses, Brüssel vor, mit dem DSA die Meinungsfreiheit im Internet einschränken zu wollen. Denn die Regeln für Europa hätten auch „massiven Einfluss auf die USA“.

Der DSA wurde konzipiert, um Digitalkonzerne zu verpflichten, Falschinformationen sowie Hass und Hetze in ihren Social-Media-Netzwerken einzudämmen. In einer Denkschrift negiert der Justizausschuss des Repräsentantenhauses dieses Ansinnen und stellt Brüssel ein vernichtendes Urteil aus: Die Autoren behaupten, das Gesetz und „übereifrige Bürokraten“ verpflichteten Social-Media-Konzerne dazu, „politische Diskussionen in Europa, den USA und weltweit“ zu zensieren. Jordan droht mit Sanktionen.

Weg ebnen für Digitalkonzerne

Schon bei den Verhandlungen zur Mindeststeuer und zu den Zöllen ist es den USA ein großes Anliegen gewesen, den amerikanischen Digitalkonzerne den Weg international zu ebnen. Hierbei stören der DSA, Digitalsteuern oder Versuche, die europäische Cloudinfrastruktur von Google, Microsoft, Amazon & Co. aus sicherheitspolitischen Erwägungen von den USA abzunabeln. Das würde das KI-Training und die Auswertung europäischer Daten erschweren sowie den Durchgriff auf die europäische Wirtschaft verhindern. Das wollen die USA als quasi digitale Hegemonialmacht natürlich verhindern.

Für Trump sind die Digitalkonzerne schließlich eine Versicherung auf die Zukunft: ein Vehikel zum Ausbau der amerikanischen digitalen Dominanz. Das stellt er in zahlreichen präsidialen Anordnungen unter Beweis. Beim KI-Action-Plan wird das sogar ganz offenen als Ziel formuliert: US-Technologie soll zum globalen Standard werden.

Stablecoins als digitale Leitwährung

Auch die globale Verbreitung von Dollar-Stablecoins dient dieser Zielsetzung. Trump verbietet der US-Notenbank explizit, als Emittent von Kryptogeld aufzutreten, will dieses Recht aber den Techkonzernen zugestehen. Die Stablecoins sollen – global ausgerollt – dem Dollar als digitales Geld Weltgeltung verschaffen; eine Art Krypto-Leitwährung. Zudem verstärkt das die Abhängigkeit von den USA und räumt Konkurrenzwährungen aus dem Weg, wie den digitalen Euro. Nebeneffekt: Der Fiskus würde unabhängiger von der Notenbank und die weitere Staatsverschuldung würde erleichtert. Ein starkes Argument, um aufs Ganze zu gehen.

Voraussetzung in beiden Fällen wäre, dass diesem Vorhaben international keine Grenzen gesetzt werden. Als solche sieht die US-Regierung explizit Digitalsteuern und den DSA an. Insofern: Eine Neuauflage der Section 899 würde sich in diesem Zusammenhang gut als Drohung eignen, um unerwünschtes Verhalten von Staaten zu unterbinden. Und womöglich würde die US-Regierung diese Karte auch ziehen, wenn der digitale Euro wider Erwarten doch noch erfolgreich wird.