EZB sorgt sich wegen Infektionen

Lagarde fürchtet um Euro-Wirtschaft und warnt vor zu frühem Ende der Hilfen

EZB sorgt sich wegen Infektionen

ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde den jüngsten Anstieg der Corona-Infektionszahlen mit großer Sorge – weil die womöglich notwendigen Eindämmungsmaßnahmen seitens der Politik die wirtschaftlichen Aussichten belasten könnten. Lagarde untermauerte deshalb gestern auch die Bereitschaft der EZB, ihre Geldpolitik erneut zu lockern. Zugleich nahm sie aber die Fiskalpolitik in die Pflicht und warnte vor einem zu frühen Ende der staatlichen Hilfen.”Wir befürchten nun, dass die Eindämmungsmaßnahmen, die umgesetzt werden müssen durch die Behörden, eine Auswirkung haben auf diese Erholung”, sagte Lagarde gestern auf einer Online-Veranstaltung des “Wall Street Journal” in einem zuvor aufgezeichneten Gespräch. Anstatt eines V-förmigen Aufschwungs, den alle herbeisehnten, sei zu befürchten, dass der zweite Arm beim V etwas wackeliger ausfallen könnte. Vor allem in Frankreich und Spanien sei das Infektionsgeschehen zunehmend kritisch.Lagardes Aussagen kommen zu einer Zeit, da zunehmend über eine weitere Lockerung der ohnehin ultraexpansiven Geldpolitik diskutiert und spekuliert wird. Hintergrund ist zum einen, dass die jüngste wirtschaftliche Erholung bereits an Schwung verliert und die Infektionszahlen vielerorts steigen. Zum anderen liegt die Euro-Inflation unter der Marke von 0 %. Einige Beobachter befürchten eine neuerliche Rezession oder gar eine Deflation.Zuletzt hatten sich insbesondere Vertreter des EZB-Direktoriums sehr unterschiedlich zur aktuellen Konjunkturlage und zum möglichen geldpolitischen Handlungsbedarf geäußert. Einige Beobachter sehen bereits die alten Grabenkämpfe im EZB-Rat ausbrechen, die die Endphase der Ära von Lagarde-Vorgänger Mario Draghi geprägt hatten (vgl. BZ vom 29. September). EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta warnte etwa davor, zu langsam oder zu zögerlich zu reagieren. Dagegen hatte Amtskollege Yves Mersch betont, dass die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft abgenommen hätten.Ähnlich wie jetzt Lagarde hatte sich unlängst auch EZB-Chefvolkswirt Philip Lane besorgt gezeigt angesichts der teilweise wieder stark ansteigenden Corona-Infektionszahlen in Europa und der möglichen Folgen für die Euro-Wirtschaft. Zugleich hatte er aber darauf hingewiesen, dass das aktuelle Basisszenario der EZB ein “periodisches Wiederaufleben des Virus” unterstelle.”Entscheidend ist im Moment, dass Fiskal- und Geldpolitik Hand in Hand arbeiten und sicherstellen, dass wir nicht diese Art von Klippeneffekt haben, den wir hätten, wenn die Maßnahmen zu schnell zurückgezogen würden”, sagte Lagarde nun. “Das ist es, was mir im Moment am meisten Sorgen bereitet.”