Im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) haben sich die Kräfteverhältnisse angesichts der rekordhohen Inflation verschoben: Diesen Eindruck bestätigt das am Donnerstag veröffentlichte Protokoll der Sitzung Mitte April. „Die Falken geben den Ton an“, konstatiert ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Als Falken werden die Vertreter einer eher straffen Geldpolitik bezeichnet. In den Jahren der Null- und Niedrigzinsen waren sie meist in der Minderheit.

Das hat sich nun geändert. Das Protokoll der April-Sitzung zeugt von einer grundsätzlichen Übereinkunft, dass eine geldpolitische Normalisierung angezeigt ist. Zum Tempo habe es gleichwohl noch recht unterschiedliche Ansichten gegeben, bemerkt Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert. Auch das hat sich seitdem ein Stück geändert: Jüngste Wortmeldungen lassen lagerübergreifend auf eine Zinserhöhung im Juli schließen.

Auch die Sorgen einiger Notenbanker über eine befürchtete „Entankerung“ der Inflationserwartungen werden deutlich. Jens Eisenschmidt von Morgan Stanley meint, dies werde „zweifellos ein Hauptdiskussionspunkt auf der Sitzung im Juni sein und eine wichtige Rolle bei der Bestimmung des Tempos der Normalisierung spielen“.