Frozen Assets

Zugriff auf russische Vermögen gewinnt immer mehr Unterstützer

Nicht nur Zinsen abschöpfen, sondern die eingefrorenen russischen Vermögen umfassender nutzen – das schlägt die EU vor. Die Idee findet in Deutschland Unterstützer.

Zugriff auf russische Vermögen gewinnt immer mehr Unterstützer

Der Vorschlag der EU-Kommission, umfassender auf die in Europa eingefrorenen russischen Vermögen zuzugreifen, um mit diesem Geld die Ukraine zu unterstützen, findet immer mehr Unterstützung. Nachdem Bundesfinanzminister Lars Klingbeil bereits am Wochenende in Kopenhagen signalisiert hat, Lösungen zur intensiveren Nutzung der eingefrorenen Gelder konstruktiv beraten zu wollen, legte nun Bundeskanzler Friedrich Merz in einem Gastbeitrag in der „Financial Times“ nach: Deutschland sei zwar aus guten Gründen bei diesem Thema bislang zurückhaltend gewesen, etwa wegen völkerrechtlichen Vorbehalten und mit Blick auf die Rolle des Euro als Reservewährung. Nun aber sei Offenheit gegenüber dieser Idee angesagt. „Wir müssen überlegen, wie wir diese Gelder unter Umgehung dieser Probleme für die Verteidigung der Ukraine verfügbar machen können“, schreibt Merz in dem Beitrag. Er wirbt für eine „tragfähige Lösung, mit der wir der Ukraine – ohne in Eigentumsrechte einzugreifen – ein zinsloses Darlehen in Höhe von insgesamt fast 140 Mrd. Euro zur Verfügung stellen können.“ Dieser Kredit würde erst zurückgezahlt, wenn Russland der Ukraine den Schaden ersetzt habe, den es während dieses Krieges verursacht hat.

Röttgen will „Aggressor zur Kasse bitten“

Auch der Vize-Fraktionschef der CDU/CSU, Norbert Röttgen, meldete sich zu Wort. „Durch die Nutzung der Gelder können wir den Spieß umdrehen und die Verteidigung der Ukraine auf Jahre finanzieren“, so Röttgen. Durch Nutzung der eingefrorenen russischen Vermögen „würde der Aggressor Russland zur Kasse gebeten.“

Bislang schöpft die EU die Zinsen der russischen „frozen assets“ ab, das heißt, sie bedient sich der Kapitalerträge, aber rührt die Vermögenswerte selbst nicht an. Denn ein Zugriff auf die Vermögen, die die russische Zentralbank hält, wäre eine Enteignung – und könnte weltweit Investoren und Vermögende, insbesondere aus dem arabischen Raum, verschrecken und davon abhalten, ihr Geld auch künftig in Europa anzulegen oder zu verwahren. Vor allem die Europäische Zentralbank warnt beständig die EU vor Maßnahmen, die nicht in Einklang mit internationalem Recht stehen und deshalb die Stabilität der Währung beeinträchtigen könnten.

„Reparations-Darlehen“

Nun will die EU-Kommission einen Schritt weiter gehen. „Wir schlagen vor, dass Russlands Ansprüche auf diese Vermögenswerte bestehen bleiben, aber wir verwenden die angesammelten Barguthaben, sobald sie fällig werden, um der Ukraine Reparations-Darlehen zu gewähren“, erklärte EU-Kommissar Valdis Dombrovskis am Wochenende beim Treffen der EU-Finanzminister in Kopenhagen und fügte an: Auf diese Weise umgehe die EU, sich mit Fragen der „sovereign immunity“ zu befassen, die diese Diskussionen zuvor belastet haben. „Sovereign immunity“ ist ein Rechtsgrundsatz, der den fremden Zugang auf Staatsvermögen – in diesem Falle der russischen Zentralbank – verhindern soll.

Wie die stärkere Nutzung der „frozen assets“ für Ukraine-Hilfen genau von statten gehen soll, sei noch nicht geklärt, verlautet aus der EU-Kommission. Denkbar wäre beispielsweise, den liquiden Teil der Bestände, die bei der Brüsseler Verwahrstelle Euroclear lagern, zusammenzufassen und als Kredit an Kiew weiterzureichen. Statt der Cash-Bestände würde Euroclear im Gegenzug von der EU besicherte Anleihen erhalten. Der Effekt wäre, dass die Frage einer Enteignung um Jahre vertagt wäre – nämlich erst dann schlagend werden würde, wenn Russland nach Ende eines Kriegs seine Forderungen gegenüber Euroclear geltend machen würde. Dann wiederum wäre denkbar, die Forderungen mit etwaigen Reparationszahlungen zu verrechnen.

Allerdings werden in der EU-Kommission auch noch ganz andere Optionen erwogen. Ziel ist es, möglichst schnell Klarheit über die wichtigen Einzelheiten zu schaffen, damit sich sowohl der Ecofin-Rat (am 10. Oktober) als auch der EU-Gipfel (am 23. Oktober) mit der Frage beschäftigen können. Es gehe „eher um Wochen als um Monate“, signalisierte Dombrovskis.