EU-Kommission

Industrie hadert mit EU-Zollreform

Die EU-Kommission will eine zentrale EU-Zollbehörde einrichten und die 150-Euro-Schwelle beim Erheben von Zöllen abschaffen. Der DIHK geht das Vorhaben nicht weit genug.

Industrie hadert mit EU-Zollreform

Industrie hadert mit EU-Zollreform

EU-Kommission stellt Bürokratieabbau in Aussicht – DIHK nicht überzeugt – Bagatellgrenze soll fallen

rec Brüssel

Mit einer groß angelegten Zollreform stellt die EU-Kommission Unternehmen Entlastungen in Aussicht – doch aus Deutschland erhält sie schlechte Noten. Eigentlich lechzt die deutsche Außenwirtschaft nach einer praxisnahen Reform mit Fokus auf Bürokratieabbau und Digitalisierung, lässt Volker Treier von der Industrie- und Handelskammer (DIHK) durchblicken. „Leider ist davon in der EU-Zollreform nicht viel zu sehen.“

Im Zentrum des Vorhabens stehe eine neue, EU-weite Zollbehörde. Sie soll ab 2028 schrittweise die nationalen Zollbehörden ersetzen, um Unternehmen Aufwand und Kosten zu ersparen. Die EU-Kommission geht von bis zu 2 Mrd. Euro weniger pro Jahr aus. Außerdem soll die bisherige Bagatellgrenze wegfallen, wonach erst aber einem Warenwert von 150 Euro Zölle fällig werden.

Die EU-Kommission preist ihr Reformvorhaben mit großen Worten an. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni zufolge werde sie „den bürokratischen Aufwand und die Befolgungskosten für Unternehmen verringern, mehr Transparenz und Sicherheit für die EU-Bürger beim Online-Einkauf schaffen und einfachere und innovative Verfahren für die Behörden einführen“. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis erwartet mehr Schutz vor Betrug, der wegen der 150-Euro-Grenze offenbar verbreitet ist.

Die europäische Verbraucherschutzorganisation BEUC sieht Erleichterungen auf überforderte Zollbeamte zukommen. „Der Vorschlag der Europäischen Kommission, Fachwissen und Ressourcen mit anderen Fachbehörden zusammenzulegen, könnte die Behörden besser in die Lage versetzen, Einfuhren zu kontrollieren“, sagt BEUC-Chefin Monique Goyens.

DIHK-Außenwirtschaftschef Treier ist deutlich kritischer. Für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sei eine effiziente und möglichst reibungslose Abfertigung internationaler Warenströme durch die Zollverwaltungen der EU-Mitgliedstaaten eine oft unterschätzte, aber entscheidende Größe. Für ihn greift die Reform an entscheidender Stelle zu kurz: Überfällige Entlastungen für zuverlässige Unternehmen, sogenannte Authorized Economic Operators, würden verschoben. Überhaupt liefere die Reform nicht, was sie verspreche: „Kurzfristig mögliche Vereinfachungen des bestehenden Zollrechts werden nicht angegangen, der überkomplexe EU-Zolltarif wird nicht vereinfacht.“

Kritik vom Rechnungshof

Unlängst hat der Europäische Rechnungshof Mängel in den EU-Zollverfahren festgestellt. Die Prüfer kritisieren, dass EU-Staaten vertrauenswürdige Händler ungleich behandeln. Sie gewährten nicht allen Händlern gleiche und volle Vorteile. Die ungleichen Wettbewerbsbedingungen sind von großer Tragweite: Laut Rechnungshof wickeln vertrauenswürdige Händler mehr als 80% der Exporte und knapp 75% der Importe ab.

Das Programm für vertrauenswürdige Händler ist 2008 eingeführt worden. Es soll die Zollverfahren vereinfachen, weil es eine Art Weiße Liste von Händlern schafft, die für den Zoll unbedenklich sind. Das ermöglicht den Zollbehörden, sich auf die Abfertigung von Waren mit hohem Risiko zu konzentrieren. Nach Angaben des Rechnungshofs waren zuletzt mehr als 18.000 vertrauenswürdige Händler in der Europäischen Union registriert (siehe Grafik). Knapp 40% kommen aus Deutschland.

150-Euro-Grenze im Fokus

Der Bericht des Rechnungshofs ist gerade einmal zwei Wochen alt. Insgesamt hat sich das Zulassungssystem für vertrauenswürdige Händler aus Sicht des Rechnungshofs bewährt. Es weise allerdings einige Schlupflöcher und Schwachstellen auf. Die Europäische Kommission überwache nicht ausreichend, ob die EU-Länder den vertrauenswürdigen Händlern die Begünstigungen gewähren, auf die sie Anspruch haben.

Im EU-Parlament, das nun mit den EU-Staaten eine gemeinsame Position zum Reformvorschlag verhandeln muss, fällt das Echo geteilt aus. Kritisch sieht Anna Cavazzini von den Grünen, dass Kontrollen auf Sicherheit oder giftige Chemikalien bei Paketen im Wert von weniger als 150 Euro faktisch ausgeschlossen seien. „Dies gefährdet die Verbraucherinnen und Verbraucher und den fairen Wettbewerb zwischen europäischen und nicht europäischen Unternehmen“, sagt die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses des EU-Parlaments.

Das Vorhaben sei grundsätzlich auf einem guten Weg, auch wenn noch Nachbesserungsbedarf bestehe, befindet der Abgeordnete Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Den von der Kommission geplanten Wegfall der Zollbefreiung für Waren unter 150 Euro sieht er kritisch: „Wir brauchen keine neuen bürokratischen Hürden, die unnötige Mehrarbeit schaffen. Hier sollte die bisherige Praxis auch weiterhin Anwendung finden.“

Die EU-Kommission will eine zentrale EU-Zollbehörde einrichten und die 150-Euro-Schwelle beim Erheben von Zöllen abschaffen. Für den Außenhandelsverband greift das Vorhaben an entscheidender Stelle zu kurz. Kürzlich hatte schon der Rechnungshof Mängel gesehen. Verbraucherschützer sind positiver gestimmt.