Inflation

Lindner warnt vor Lohn-Preis-Spirale

Die Inflation in Deutschland liegt auf einem 40-Jahres-Hoch. Jetzt wächst die Sorge, dass sich die Teuerung über eine Lohn-Preis-Spirale verfestigt. Finanzminister Lindner warnt – und appelliert an die Gewerkschaften.

Lindner warnt vor Lohn-Preis-Spirale

ms Frankfurt

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat vor einer sich verfestigenden Inflation durch eine Lohn-Preis-Spirale ge­warnt und vor den anstehenden Ta­rifrunden an die Verantwortung der Gewerkschaften appelliert. „Die Ge­fahr einer Lohn-Preis-Spirale ist real“, sagte Lindner am Montag zu Reuters. „Die Inflationsentwicklung würde dann zusätzlich verstärkt.“ Er betonte, deshalb komme in der jetzigen Situation den Tarifpartnern eine ho­he Verantwortung zu, der sie in den vergangenen Jahren stets gerecht geworden seien. „Darauf hoffe ich jetzt wieder“, so Lindner.

Die Inflation in Deutschland ist, wie im Euroraum insgesamt, im Laufe des vergangenen Jahres vor allem als Folge der Coronakrise sprunghaft und viel stärker als erwartet angestiegen. Jetzt wird sie durch den Ukraine-Krieg zusätzlich befeuert. Im April lag sie nach EU-Berechnung bei 7,8% und damit so hoch wie seit mehr als 40 Jahren nicht. Die Sorge ist jetzt, dass sich Preise und Löhne gegenseitig hochschaukeln und sich der Preisauftrieb so verfestigt. Diese Sorge treibt auch die Notenbanker der Europäischen Zentralbank (EZB) zunehmend um.

Zuletzt hatte vor allem die Empfehlung der Tarifkommission der IG Metall für eine Forderung nach 8,2% mehr Lohn in der nächsten Tarifrunde solche Sorgen befeuert. Der CDU-Wirtschaftsrat hatte die Forderung als realitätsfern und Gift für die Konjunktur bezeichnet. Auch die Deutsche Bank warnte vor der Gefahr, dass sich Preise und Löhne in Deutschland als größter Euro-Volkswirtschaft nun gegenseitig hochschaukeln könnten. Der von der Bank berechnete Lohndruckindex, der die Inflationsrate und die Arbeitslosenquote berücksichtigt, stehe auf „rot glühend“, teilte das Institut mit.

Lindner stimmte nun in den Chor der Mahner ein und richtete den Blick dabei auf die anstehenden Ta­rifrunden. Allerdings hat er die Hoffnung, dass es die Tarifparteien und insbesondere die Gewerkschaften nicht übertreiben. „Erste Anzeichen, dass in diesem Jahr Einmalzahlungen eine Rolle spielen könnten, deuten sich bereits an“, sagte Lindner.

Zugleich betonte er aber auch die Verantwortung der Politik. Der Staat müsse den gefühlten Inflationsdruck beim Nettoeinkommen abmildern. „Mit den Entlastungspaketen beabsichtigen wir genau das“, sagte er. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat bereits zwei Entlastungspakete für Haushalte und Un­ternehmen wegen der hohen Energiepreise geschnürt. Viele Maßnahmen davon sind aber noch in der Umsetzung und wirken noch nicht.

Vor allem in Deutschland wächst angesichts der hohen Inflation auch die Kritik an der EZB. Die Euro-Hüter haben trotz Rekordinflation bislang nur zaghafte Schritte in Richtung Normalisierung der Geldpolitik eingeleitet. Inzwischen steuern sie auf eine schnellere Zinswende zu. Be­reits im Juli könnten die Zinsen erstmals steigen (vgl. BZ vom 7. Mai).

EZB unter Druck

In diese Richtung äußerte sich am Montag auch EZB-Ratsmitglied Olli Rehn erneut. „Es ist geboten, im dritten Quartal, wohl im Juli, den Leitzins anzuheben“, sagte Finnlands Zentralbankchef der „Welt“. „Und wir werden die Geldpolitik weiter normalisieren, vorausgesetzt, der russische Krieg in der Ukraine wirft die europäische Wirtschaft nicht wieder zurück.“ Als Grund nannte auch er vor allem die Angst vor Zweitrundeneffekten wie einer Lohn-Preis-Spirale. „Wir sehen Anzeichen für Zweitrundeneffekte. Wir müssen deshalb verhindern, dass sich die Inflationserwartungen verfestigen. Deshalb ist es wichtig, dass wir ein entsprechendes Signal senden.“

Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) forderte am Montag rasche Zinserhöhungen der EZB. „Negativzinsen sind mit einer Inflationsrate von über 7% nicht mehr zu vereinbaren“, so das IW. Vor allem ärmere Haushalte könnten sich nur schwer vor einer zu hohen Inflation schützen.

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