Unternehmen zweifeln an der Erholung
Unternehmen zweifeln an der Erholung
Ifo-Geschäftsklima sinkt unerwartet – Bau tanzt aus der Reihe – Bundesregierung enttäuscht
Die Bundesregierung enttäuscht bislang die Hoffnungen der Unternehmen. Vor allem die nur zögerlich angegangenen Reformen zeigen sich im unerwarteten Rückgang des Ifo-Geschäftsklimas. Mittlerweile werden auch die Erwartungen an die positiven Effekte des Infrastrukturpakets zurückgeschraubt.
ba Frankfurt
Trüber Herbst, trübe Stimmung: Im September zeigen sich die deutschen Unternehmen ernüchtert wegen des Zusammenspiels aus den Folgen des Handelskonflikts, geopolitischer Unsicherheit und den bislang ausgebliebenen Reformen der Bundesregierung. Im September ist der Ifo-Geschäftsklimaindex erstmals seit einem halben Jahr gesunken, und zwar um 1,2 auf 87,7 Punkte. Ökonomen wurden damit auf dem falschen Fuß erwischt, denn sie hatten im Mittel einen Anstieg des wichtigsten Maßstabs für die weitere konjunkturelle Entwicklung hierzulande auf 89,4 Zähler prognostiziert.
„Die Politik liefert nicht“
„Die Hoffnung auf wirtschaftliche Erholung erleidet einen Dämpfer“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der Umfrage unter rund 9.000 Unternehmen. Der Index signalisiere die Enttäuschung der Unternehmen, ergänzte Ifo-Umfragechef Klaus Wohlrabe: „Die Politik liefert nicht.“ Der deutschen Wirtschaft fehle es an Eigendynamik und ohne Strukturreformen gebe es keine echte Erholung. „Auf unserer glorreichen wirtschaftlichen Vergangenheit kann man keinen neuen Aufschwung aufbauen.“

Die „wohl ausbleibende erforderliche Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik“ zeigt sich für Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer in den merklich eingetrübten Erwartungen: Das Barometer fiel von 91,7 auf 89,7 Punkte. Der Streit in der Koalition mache deutlich, „dass die Regierungsparteien sehr unterschiedliche wirtschaftspolitische Vorstellungen haben“. Allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass sich die rein konjunkturellen Rahmenbedingungen verbessert hätten. Zum einen habe die EZB ihre Leitzinsen halbiert, was mit einer üblichen Verzögerung von einigen Quartalen die Konjunktur anschieben dürfte. „Zum anderen fährt die Bundesregierung eine sehr expansive Fiskalpolitik“, erklärt Krämer.
Gegensatz zu anderen Indikatoren
Für LBBW-Analyst Elmar Völker lässt die September-Umfrage befürchten, dass „die deutsche Wirtschaft mindestens bis zum Jahresende in der (annähernden) Stagnation feststecken wird“. Schon die Aufwärtstendenz in den zurückliegenden Monaten sei insgesamt nur zögerlich gewesen. Der Rückschlag des Ifo kam unerwartet, denn die ZEW-Erwartungen hatten nach oben gezeigt, und auch die Einkaufsmanagerindizes für September hatten insgesamt eine Stimmungsaufhellung angedeutet, erinnert Völker. Auch die Bundesbank zeigte sich jüngst optimistisch. In ihrem Monatsbericht September hieß es, dass die Wirtschaft im dritten Quartal „leicht zugelegt“ haben dürfte, nachdem sie im Frühjahr noch um 0,2% geschrumpft war. „Jetzt braucht es wirklich einen ‚Reformherbst‘, um sicherzustellen, dass auf drei Jahre Stagnation nicht ein viertes folgt“, mahnte ING-Chefökonom Carsten Brzeski.
Zollkonflikt zeigt sich
Weniger beunruhigend als den Rückgang der Erwartungskomponente findet KfW-Chefvolkswirt Dirk Schumacher, dass auch die aktuelle Lage schwächer eingeschätzt wurde. Der Indikator gab von 86,4 auf 85,7 Punkte nach. Das Minus „reflektiert vermutlich die nun spürbar werdenden Effekte des Zollkonflikts“. Auch wenn sich die Exporterwartungen im verarbeitenden Gewerbe minimal aufgehellt hätten, warnt Ifo-Experte Wohlrabe, das überzubewerten. „Da würde ich noch nicht von einem Aufschwung sprechen.“ Derzeit gebe es keine Lichtblicke in den einzelnen Branchen der Industrie. Das Geschäftsklima gab nach, die Zahl der Neuaufträge sank erneut. „Der Hoffnungsschimmer, der sich im Vormonat bei den Investitionsgüterherstellern zeigte, ist verblasst“, betonte Fuest.
Bau tanzt aus der Reihe
Im Dienstleistungssektor hat sich das Klima sogar merklich verschlechtert, vor allem im Bereich Transport und Logistik. Im Handel gab das Klima trotz des etwas besseren Lageurteils nach. Allein im kriselnden Bauhauptgewerbe legte der Klimaindex nach dem Rückgang im Vormonat wieder zu. Hier dürfte das Investitionspaket der Bundesregierung auch die größte Wirkung entfalten. Allerdings fehlten schon heute allein für die Planung der Bauprojekte 10.000 Experten, mahnte das IW. Auch im Tiefbau sei die Lage angespannt, hier fehlten 4.000 Fachkräfte. Sollten sich die Genehmigungsverfahren nicht beschleunigen, bleibt es für den Chefvolkswirt der VP Bank Thomas Gitzel fraglich, ob die großen Infrastruktursondervermögen tatsächlich wie erwartet „im kommenden Jahr deutliche Akzente setzen“.