US-Konjunktur

US-Notenbank in der Bredouille

Auf der einen Seite steigen die Preise weiter, auf der anderen Seite mehren sich Indikatoren für schwächeres Wachstum in den USA. Notenbankchef Jerome Powell muss während der kommenden Monate jedenfalls einen schwierigen Spagat schaffen.

US-Notenbank in der Bredouille

det Washington

Die US-Notenbank Fed kommt zusehends in die Bredouille. Denn einerseits hat sich der Arbeitsmarkt so kräftig von den Folgen der Pandemie erholt, dass die Fed nun plant, im November oder Dezember ein Ende ihrer ultralockeren Geldpolitik einzuläuten und mit der Drosselung ihrer Anleihekäufe (Tapering) zu beginnen. Andererseits steigen die Preise unaufhaltsam, und angesichts der sich weiter ausbreitenden Delta-Variante des Coronavirus nehmen die Sorgen um das Wirtschaftswachstum zu. Etliche Indikatoren deuten darauf hin, dass der Aufschwung an Tempo verlieren könnte.

Die wachsenden Inflationsängste werden nun auch von Einfuhren geschürt, die sich laut Arbeitsministerium im September um 0,4% verteuerten. Im August waren die Importpreise noch um 0,3% zurückgegangen. Im Vorjahresvergleich kletterten die Einfuhrpreise um 9,2% und an der Kernrate gemessen um 4,7% (siehe Grafik). Zwar wurden die Preise von Lebensmitteln und Treibstoff getrieben, der um 68,7% teurer war als im September 2020. Aber auch in anderen Bereichen, etwa bei industriellen Lieferungen, legten die Preise kräftig zu (+35%). Der zunehmende Preisdruck hat mittlerweile auch die Fed gespalten. Zwar bleibt Notenbankchef Jerome Powell weiter der Überzeugung, dass die hohe Inflation vorübergehend ist. Zuletzt räumte er aber ein, dass diese länger Bestand haben könnte als zunächst angenommen. Andere, etwa Raphael Bostic, Präsident der Federal Reserve Bank von Atlanta, gehen deutlich weiter. Er hat „temporär“ als „Schimpfwort“ bezeichnet und verlangt von Mitarbeitern scherzhaft, dass sie bei jeder Verwendung des Begriffs einen Dollar spenden. James Bullard, Präsident der Federal Reserve Bank von St. Louis, befürchtet ebenfalls dauerhaft höhere Inflation und verlangt, dass die Notenbank bis zum Ende des ersten Quartals 2022 das Tapering abschließt.

Konsumenten schwächeln

Gepaart mit steigenden Verbraucher- und Herstellerpreisen – Letztere wiesen im September im Vorjahresvergleich den stärksten Anstieg seit Beginn der Erhebungen auf – deutet tatsächlich nichts darauf hin, dass der Preisdruck in absehbarer Zeit nachlassen wird. Auch lassen die Tanker, dir vor dem Hafen von Los Angeles im Stau stehen und teilweise erst Mitte nächsten Jahres entladen werden könnte, ahnen, dass preistreibende Lieferengpässe andauern werden.

Zu der hohen Inflation gesellen sich nun aber auch aufkeimende Ängste vor schwächerem Wachstum. Selbst die Fed räumte nach der jüngsten FOMC-Sitzung ein, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr weniger stark zulegen und die Arbeitslosenquote höher ausfallen wird, als sie noch im Juni unter­stellten.

Nachdenklich stimmt auch das nachlassende Vertrauen der Konsumenten, deren Nachfrage fast 70% der Wirtschaftsleistung in den USA ausmacht. So gab der Index der Verbraucherstimmung der University of Michigan im Oktober um 1,9% auf 71,4 Punkte und im Vorjahresvergleich um 12,7% nach. Wie der für die Umfrage zuständige Chefökonom Richard Curtin feststellte, „befand sich die Verbraucherstimmung während der letzten drei Monate auf dem Tiefststand, der vergangenes Jahr nach der Schließung der Wirtschaft gemessen wurde“. Anzunehmen ist laut Curtin, dass die Delta-Variante, Lieferengpässe und die geringere Partizipationsrate am Arbeitsmarkt „auch im kommenden Jahr die Konsumausgaben dämpfen werden“.

Zudem gab der Empire State Index der New York Fed für das verarbeitende Gewerbe im Oktober um 14,5 Zähler auf 19,8 Punkte nach. Zwar signalisiert die Zahl weiter solides Wachstum, doch bei deutlich höheren Preisen und einer geringeren Zunahme der Aufträge als zuvor. Sämtliche Indikatoren bringen die Notenbank wiederum in ein Dilemma. Powell wird daher den schwierigen Spagat schaffen müssen zwischen jenen Fed-Gouverneuren, die das Tapering beschleunigen wollen, und jenen, die aus Furcht vor einem Konjunktureinbruch ein langsameres Tempo fordern und auf keinen Fall schon 2022 eine Zinserhöhung sehen wollen.