Wachwechsel bei Hongkongs Tycoon-Garde
Von Norbert Hellmann, SchanghaiEr ist das unternehmerische Gesicht Hongkongs schlechthin und der führende Vertreter der die Wirtschaft prägenden Milliardärskaste. Mit dem nahenden 20. Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an China ist auch Li Ka-shings Meinung zu den zunehmend konfliktgeladenen Beziehungen zwischen der Sonderverwaltungszone und dem chinesischen Festland von besonderem Interesse. Dabei gehört der auf dem Festland in der kantonesischen Provinz Guandong geborene, aber in jungen Jahren nach Hongkong übergesiedelte Li zu den versöhnlichen Stimmen.Hongkongs Wiedereingliederung als chinesisches Territorium ist von einer durch und durch für beide Seiten vorteilhaften Entwicklung geprägt, meint der auf die 90 zugehende Herrscher eines weit verzweigten Firmenimperiums mit einigen Aktivitäten auf dem Festland. Vorteil für beide SeitenMit der Losung von einem Land mit zwei politischen und wirtschaftlichen Systemen habe man Hongkong die nötige Stabilität gewährt, um die Wirtschaft in einem zunehmend wettbewerbsintensiveren Umfeld sich entfalten zu lassen, meint der Unternehmer. Hongkong sitze damit in der ersten Reihe, quasi mit dem besten Blick auf die Chancen und Entfaltungsmöglichkeiten der rasch fortschreitenden chinesischen Wirtschaft.Mit diesen Äußerungen trifft Li allerdings gewissermaßen auch einen wunden Punkt, denn die Diskussionen um Hongkongs wirtschaftliche Zukunft drehen sich nicht zuletzt um die Wahrnehmung einer wesentlich dynamischeren Entwicklung auf dem Festland, während Hongkong vor allem der Old Economy mit Schwerpunkten bei Immobilien, Finanzdienstleistungen, Hotelwesen, Schifffahrt und Logistik verhaftet bleibt. Dabei werden diese Sektoren seit jeher von einer Gruppe Hongkonger Tycoons, allen voran Li selber, dominiert.Hongkongs Regierung muss Anlageinvestitionen stärken, das Erziehungswesen fördern und technologische Sektoren stärker voranbringen, meint Li, allerdings ist derzeit wenig erkennbar, dass das von ihm geführte Flaggschiffkonglomerat CK Hutchison und weitere Immobilien- und Infrastrukturvehikel dabei notwendigerweise eine tragende Rolle spielen. Auch scheinen Lis Gesellschaften das chinesische Festland in den vergangenen Jahren stärker zu meiden und ihre Expansionsbestrebungen eher auf Telekom-, Energie- und Infrastrukturengagements in westlichen Industrieländern und Australien zu richten. Rückzug im Jahr 2018?Ob in Lis Imperium bald ein frischerer Wind wehen wird, ist eine kürzlich wieder stärker aufkommende Diskussion, nachdem die Spatzen von den Hongkonger Dächern pfeifen, dass sich im kommenden Jahr ein Rückzug des Patriarchen aus der aktiven Geschäftsführung seines Konglomerats abzeichnet. Zuletzt wurde darüber spekuliert, dass Li einen Rückzug bis zum Jahresende, spätestens aber zum im Juli kommenden Jahres anstehenden 90. Geburtstag plant. Bei CK Hutchison wurde kürzlich allerdings betont, dass es noch keinen festen Zeitplan für einen Wachwechsel gibt.So oder so ist die Nachfolgeregelung freilich kein Geheimnis, denn der älteste Sohn Victor Li (52) ist schon vor fünf Jahren als Kronprinz ins Spiel gebracht und seitdem mit weiteren Führungsrollen in verschiedenen Vehikeln auf eine künftige Managementübernahme des Imperiums getrimmt worden. Lotse im HintergrundVictor Li fungiert bereits als Deputy Chairman bei den beiden wichtigsten Einheiten CK Hutchison und Cheung Kong Property Holding und steht bei den Beteiligungsgesellschaften Cheung Kong Infrastructure Holdings und Cheung Kong Life Sciences schon seit langem auf dem Chairmanposten. Li Senior hat immer Zuversicht in die Fähigkeiten seines Sohns Victor geäußert, in Hongkong geht man allerdings davon aus, dass der Patriarch allein schon zur Beruhigung der Aktionäre seiner in Hongkong gelisteten Einheiten im Hintergrund als “Senior Adviser” die Geschäfte weiter im Blick behält.Li hat in Hongkong einen Supermannstatus, und so gibt es natürlich Zweifel, ob es Sohn Victor gelingen kann, die Aura seines Vaters als visionärem Unternehmer fortzusetzen. Auch ist fraglich, ob es ihm jemals gelingen wird, als reichster Mann Asiens in den einschlägigen Listen vertreten zu sein.Li Senior, der gegenwärtig auf ein Vermögen von gut 33 Mrd. Dollar taxiert wird, hatte jahrzehntelang diesen Rang eingenommen. Seit der Dekadenmitte aber wird er wechselnd von einer Reihe chinesischer Firmengründer überholt, die mit Immobilien und vor allem Technologieimperien die neuen unternehmerischen Supermänner im großchinesischen Raum abgeben. Denn die Gründer der E-Commerce- und Internetriesen Alibaba, Baidu und Tencent haben vorgemacht, wie man im Zeitraffer ein Vermögen aufhäuft, für das ein Li Ka-shing Jahrzehnte gebraucht hat. Rüstige MilliardäreLi ist beileibe nicht der einzige Vertreter der ersten Hongkonger Tycoon-Generation, der nun einen Wachwechsel vorbereiten muss. In der Liste der zehn reichsten Männer Hongkongs finden sich mit Lee Shau Kee, Henry Sy, Lui Che und Robert Kuok vier weitere rüstige Senioren im Alter zwischen 88 und 93 Jahren, die sich zeitnah mit einer familieninternen Nachfolgeregelung für die Führung ihrer Immobilien-, Hotel-, Schifffahrts- und Einzelhandelsimperien beschäftigen müssen.Dann dürfte auch eine andere Statistik wieder korrigiert werden müssen, die man als symptomatisch für eine gewisse oligarchische Verkrustung der Hongkonger Wirtschaft ansehen kann. Nimmt man den Altersdurchschnitt der zehn Reichsten in den Ländern mit den meisten Milliardären, ist Hongkong mit 72,4 Jahren Spitzenreiter, während die USA mit 62,5 Jahren einen Mittelplatz einnehmen und China bei 53,7 Jahren besonders jung daherkommt.