Corona

Wirtschaft kritisiert Testpflicht

Die Wirtschaft hat mit Kritik auf Verschärfungen des Infektionsschutzgesetzes und eine Pflicht zu Coronatestangeboten für Unternehmen reagiert. Beide hat das Kabinett in einer vorgezogenen Sitzung am Dienstag auf den Weg gebracht. Die Kosten für die Tests müssen die Unternehmen zu großen Teilen selber tragen.

Wirtschaft kritisiert Testpflicht

sp Berlin

Die Bundesregierung hat in einer vorgezogenen Sitzung des Kabinetts eine bundeseinheitliche Regelunge der sogenannten „Notbremse“ zur Eindämmung der Corona-Pandemie im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg gebracht. Außerdem billigte das Kabinett eine Verordnung des Arbeitsministeriums, die Unternehmen verpflichtet, Mitarbeitern mindestens einen Coronaselbsttest pro Woche anzubieten. Beides stieß bei Vertretern der Wirtschaft auf Kritik. Während die Verordnung in der nächsten Woche in Kraft tritt, müssen die Verschärfungen des Infektionsschutzgesetzes noch im Bundestag beraten und beschlossen werden. Die für ein beschleunigtes Verfahren erforderlichen Stimmen der Opposition, auf die die Regierung gehofft hatte, liegen außer Reichweite, weshalb das Parlament das Gesetz Mitte nächster Woche beschließen dürfte.

Handel ist besonders betroffen

Die Notbremse soll überall dort gezogen werden, wo das Infektionsgeschehen gemessen an der Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen über einen Wert von 100 steigt. Am Montag lagen 305 von 412 Landkreisen und kreisfreien Städten über dieser Grenze. Am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) deutschlandweit eine Inzidenz von knapp 141. Der Wert gibt an, wie viele Menschen sich je 100000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben.

Die Verschärfungen im Infektionsschutzgesetz sehen unter anderem vor, dass mit der Notbremse auch die Schließung von weiten Teilen des Einzelhandels verbunden ist. „Es ist nicht zu verstehen, warum sich das Bundeskabinett entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse für Verschärfungen zulasten des Einzelhandels im Infektionsschutzgesetz entschieden hat“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa-afx. Beim Einkauf bestehe nachgewiesenermaßen ein geringes In­fektionsrisiko, sagte Genth.

Auch die in den vergangenen Tagen bereits lautstark geübte Kritik von Vertretern der Wirtschaft an der Testangebotspflicht für Betriebe riss nicht ab. Nach der gestern vorgelegten Verordnung müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern in Büros und Fabriken künftig mindestens einen Coronatest pro Woche anbieten. Vier von zehn Beschäftigten bekämen derzeit kein Testangebot, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Begründung. „Diese Lücke ist zu groß.“

Gewerkschaften forderten mehr Angebote für Arbeitnehmer. Vertreter der Wirtschaft beklagten dagegen zu viel Bürokratie, obwohl Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hier für Entlastung sorgte. Das Wirtschaftsministerium teilte am Dienstag mit, dass keine Sanktionen gegen Firmen vorgesehen seien. Kosten für Schnell- und Selbsttests könnten über die Überbrückungshilfe III geltend gemacht werden, hieß es weiter. Das gelte allerdings nur für antragsberechtigte Firmen, die einen coronabedingten Umsatzeinbruch nachweisen könnten. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte am Dienstag im Deutschlandfunk erklärt, dass die Unternehmen die Kosten für die Tests selber schultern müssen.

„Die Testpflicht führt nur zu einer weiteren Bürokratielast der ohnehin schon strauchelnden und notleidenden Betriebe in Deutschland“, schimpfte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Rainer Dulger. „Die Reform des Infektionsschutzgesetzes ist notwendig, aber mangelhaft umgesetzt“, stellte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands BDI, Joachim Lang, fest. Die Testangebotspflicht sei „für die Industrie entbehrlich und für die Pandemiebekämpfung sinnlos“. Für den Maschinenbau sei die Testangebotspflicht „handhabbar“, sagte der Präsident der Branchenlobby VDMA, Karl Haeusgen. Er erwarte jetzt, dass die Impfkampagne in Deutschland genauso effizient organisiert werde wie das Testen in den Unternehmen.