Konjunktur

Wirtschaft rutscht doch ins Minus

Minus 0,2% statt der erwarteten Stagnation: Die deutsche Wirtschaft ist im Schlussquartal nun doch geschrumpft. Die zwischenzeitlich abgesagte milde Winterrezession gilt Ökonomen nun wieder als Basisszenario.

Wirtschaft rutscht doch ins Minus

ba Frankfurt

Die Mehrfachkrise infolge des Ukraine-Kriegs und der Corona-Pandemie macht der deutschen Wirtschaft doch schwerer zu schaffen als kurzfristig gedacht. Insbesondere die inflationsgeplagten Verbraucher erwiesen sich im vierten Quartal als Wachstumsbremse. Eine – wenn auch milde – Winterrezession scheint Ökonomen daher nun wieder das wahrscheinlichste Szenario.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im vierten Quartal preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2% zum Vorquartal geschrumpft, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) meldete. Ökonomen hatten allerdings erwartet, dass die Wiesbadener Statistiker ihre Mitte Januar getroffene Prognose einer Stagnation bestätigen. Das Jahresergebnis für 2022 wurde um 0,1 Prozentpunkte auf 1,8% nach unten revidiert. Trotz schwieriger Bedingungen habe sich die hiesige Wirtschaft in den ersten drei Quartalen gut behaupten können – auch weil die privaten Konsumausgaben die Konjunktur gestützt hätten, betonte Destatis. Details zu den Komponenten legen die Wiesbadener am 24. Februar vor.

Trotz zuletzt positiv ausgefallener Stimmungsindikatoren wie dem Ifo-Geschäftsklima oder dem Einkaufsmanagerindex erwarten Ökonomen, dass die hiesige Wirtschaft im ersten Quartal abermals schrumpft. So könne „Deutschland am Ende doch eine technische Rezession erleben“, sagte Deutschland-Chefvolkswirt Stefan Schneider von der Deutschen Bank. „Es handelt sich dann allerdings wirklich nur um eine technische Rezession – also zwei aufeinanderfolgende Quartale mit schrumpfendem BIP – und nicht um einen bis vor Kurzem befürchteten Wachstumsrückschlag.“

Inflation ist Ausgangspunkt

„Die hohen Inflationsraten haben die deutsche Wirtschaft in die Winterrezession getrieben“, urteilt Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Wegen der hohen Energie- und Lebensmittelpreise stieg die Inflation im Jahresschnitt 2022 auf 7,9% – den höchsten Stand seit Gründung der Bundesrepublik. Zwar mehren sich die Zeichen, dass der Höhepunkt der Teuerung mittlerweile überschritten sein dürfte – die Gas-Großhandelspreise sind zurückgegangen, die Gasspeicher auch wegen des bislang eher milden Wetters gut gefüllt und der Preisdruck auf Erzeugerebene hat gleichfalls nachgelassen. „Viele Verbraucher waren zum Sparen verdonnert“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die gestiegenen Lebenshaltungskosten hätten auch den anderweitigen Konsum, wie etwa den Gaststättenbesuch, eingeschränkt. Dies zeigt sich auch im aktuellen GfK-Konsumklima, das zwar zugelegt hat, aber immer noch auf sehr niedrigem Niveau liegt.

Immerhin erweist sich der Arbeitsmarkt als Stütze – die Arbeitskräftenachfrage ist unverändert hoch. Der Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit (BA-X) verharrte im Januar wie in den drei Monaten zuvor bei 128 Punkten. Die Kräftenachfrage zeig sich damit vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten auf einem vergleichsweise hohen Niveau stabil, kommentierte dies die Nürnberger Behörde.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer wiederum führt zwei Argumente für eine nur milde Rezession ins Feld: Erstens hätten die Zentralbanken in vielen Ländern wegen der hohen Inflation die Leitzinsen kräftig erhöht. Unter den dadurch teureren Immobilienkrediten leidet die Baubranche. Zweitens habe sich die Industrieproduktion gut gehalten, weil die Unternehmen die während der Corona-Pandemie aufgelaufenen Auftragsberge abgearbeitet hätten. Für Zuversicht sorgt neben der Entspannung des Lieferkettenstresses die Wiedereröffnung der chinesischen Wirtschaft. Der Auftragseingang allerdings schwächelt seit längerem. Zudem bleiben die Herausforderungen Struktur- und Klimawandel groß, mahnte der DIHK.

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