Gebremste Wachstumsaussichten im Herbstgutachten

Wirtschaftsforschungsinstitute dringen auf Strukturreformen

Im Herbstgutachten sagen die Forschungsinstitute nur eine konjunkturelle Belebung voraus. Die Wachstumsaussichten verschlechterten sich zusehends. Die Ökonomen fordern von der Bundesregierung echte strukturelle Reformen.

Wirtschaftsforschungsinstitute dringen auf Strukturreformen

Institute dringen auf echte Reformen

„Strukturelle Probleme in der deutschen Wirtschaft werden nur kaschiert“ – Geringe Impulse aus Infrastrukturausgaben

Im Herbstgutachten sagen die Forschungsinstitute nur eine konjunkturelle Belebung voraus. Die Wachstumsaussichten verschlechterten sich aber zusehends. Die Ökonomen fordern von der Bundesregierung strukturelle Verbesserungen. Für den „Herbst der Reformen“ legen sie einen Zwölf-Punkte-Katalog vor.

wf Berlin

Trotz der kreditfinanzierten Zusatzausgaben für Investitionen in Infrastruktur und Verteidigungen kommt die deutsche Wirtschaft kaum voran. Sie stehe „nach wie vor auf wackeligen Beinen“, konstatierte Geraldine Dany-Knedlik, Leiterin für Konjunkturpolitik im Wirtschaftsforschungsinstitut DIW, vor der Presse in Berlin. „In den beiden kommenden Jahren erholt sie sich zwar spürbar“, sagt Dany-Knedlik. „Angesichts anhaltender struktureller Schwächen wird diese Dynamik allerdings nicht von Dauer sein.“

Nur Binnenwirtschaft profitiert

Die fünf Wirtschafsforschungsinstitute erwarten in ihrem Herbstgutachten für 2025 nach zwei Jahren der Rezession ein minimales preisbereinigtes Wachstum von 0,2% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Für 2026 und 2027 werden plus 1,3% und 1,4% des BIP vorausgesagt. Eine ähnliche Prognose lieferte am selben Tag in Berlin das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie (IMK). Das BIP-Wachstum in diesem Jahr schätzen die Forscher auf plus 0,2 % und im kommenden Jahr auf plus 1,4 %. Nur die Binnenwirtschaft kommt laut Herbstgutachten der Institute durch die zusätzlichen kreditfinanzierten Ausgaben spürbar in Fahrt. Davon profitiere der Dienstleistungsbereich – vor allem der öffentliche Sektor. Die Erholung im Produzierenden Gewerbe wird der Prognose zufolge nur verhalten ausfallen. Exporte als bisheriger Treiber für einen Aufschwung fielen aus, halten die Forscher fest. Die Auslandsnachfrage nach deutschen Waren schwächele – wegen der schwindenden Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und der Zollpolitik der Vereinigten Staaten.

Kompensation bleibt aus

Die höheren öffentlichen Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung seien keine Ausgleiche dafür, stellen die Forscher fest. Diese würden nur in gesamtwirtschaftlich kleine Bereiche mit gut ausgelasteten Kapazitäten fließen oder – wie im Fall von Rüstungsausgaben – ins Ausland. Dies werde auch auf die Preisentwicklung durchschlagen. Zudem würden die Impulse durch lange Planungs- und Vergabezeiten gebremst. Die Mittel würden aus dem Haushalt langsamer abfließen als geplant. Darüber hinaus nutze die Regierung die Kredite auch dazu, die eigentlich fällige Konsolidierung zu vermeiden. 2027 sei der Konsolidierungsbedarf trotz der verschobenen Mittel aus den erweiterten Kreditmöglichkeiten erheblich.

„Strukturelle Probleme in der deutschen Wirtschaft werden nur kaschiert“, betonen die Konjunkturforscher. Standortstärkende Reformen blieben aus. Dies zeige sich in der Schätzung des Produktionspotenzials: Laut Herbstgutachten werde es unter Status-quo-Bedingungen bis zum Ende des Jahrzehnts auf eine Wachstumsrate von 0,2% sinken. Im Mittel liege der Wert für diese Periode bei plus 0,3%. Das Arbeitsvolumen dämpfe im Durchschnitt das Wachstum des Produktionspotenzials. Kapitalstock und und totale Faktorproduktivität, also das Residuum, das nicht durch die Faktoren Kapital oder Arbeit erklärt werden kann, stiegen um 0,3 und 0,2 Prozentpunkte.

Hohe Energie- und Lohnstückkosten, Fachkräftemangel sowie eine weiter abnehmende Wettbewerbsfähigkeit bremsen demnach die Wachstumsaussichten. In einem zwölf-Punkte-Katalog dringen die Institute auf echte Reformen. Stabilisierte Sozialbeiträge im Gesundheits-und Rentensystem gehören dazu. Die Regierung solle Standort- statt Industriepolitik betreiben und nicht einzelne Unternehmen fördern, sondern die Standortbedingungen verbessern. Die Forscher rufen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen durch Kürzung konsumtiver Ausgaben auf.

Die Forscher dringen auf eine geschärfte Schuldenbremse. Permanente Verteidigungsausgaben müssten mittelfristig wieder in den Kernhaushalt überführt werden, etwa durch Anhebung der Defizitgrenze der Bereichsausnahme Verteidigung in jährlichen Schritten von 0,5%. Derzeit müssen nur Verteidigungsausgaben von 1% des BIP aus dem Kernhaushalt finanziert werden. Die Forschungsinstitute rufen die deutsche Fiskalpolitik auch dazu auf, der Europäischen Zentralbank eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik zu ermöglichen.