Schub für die Fondsbranche

Wirtschaftsweise dringen auf kapitalgedeckte Vorsorge

Der Sachverständigenrat fordert schnelle Reformen der privaten Altersvorsorge mit einer kapitalgedeckten Lösung. Der langfristige Vermögensaufbau und das Verständnis für Kapitalmärkte soll gestärkt werden. Die Fondsbranche soll Produkte schneidern.

Wirtschaftsweise dringen auf kapitalgedeckte Vorsorge

Wirtschaftsweise dringen auf kapitalgedeckte Vorsorge

Neue Behörde soll über Auswahl der Fonds für die private Rente entscheiden

wf Berlin

Der Sachverständigenrat für Wirtschaft drückt aufs Tempo bei der Reform der privaten Altersvorsorge. „Wir reden seit Jahren von Rentenreformen im Umlagesystem“, sagte der Wirtschaftsweise Martin Werding der Börsen-Zeitung im Doppelinterview mit Sachverständigenratsmitglied Ulrike Malmendier. „Wir brauchen ergänzende kapitalgedeckte Vorsorge. Das muss schnell gehen.“ Der Rat will aber mehr bewegen als nur die Altersvorsorge um eine kapitalgedeckten Komponente zu ergänzen. „Für ein Umdenken hin zu Kapitalmarktanlagen zu sorgen, wäre gut für den Vermögensaufbau der Bevölkerung“, sagte Malmendier. „Tiefere Kapitalmärkte wären langfristig gut für das Land.“

Ohne Garantie und Versicherungsschutz

Für die kapitalgedeckte Vorsorge setzt der Sachverständigenrat auf ein lebenslanges und kapitalmarktbasiertes Vorsorgedepot vom Kindesalter über das Erwerbsleben bis in den Ruhestand. Als Produktanbieter ist die Fondsbranche gefragt. Renditeschmälernde Versicherungslösungen oder Garantien solle es in der staatlich geförderten privaten Vorsorge ausdrücklich nicht geben.

Das Fondsangebot will der Sachverständigenrat beschränken, um die Menschen bei ihrer Auswahl nicht zu überfordern. Wettbewerb ist Malmendier und Werding aber wichtig. „Das standardisierte Produkt mit Lebenszyklusmodell kann von vielen Anbietern kommen“, sagte Werding. Über die Auswahl soll eine neu zu gründende, aber schlanke Fondsauswahlbehörde nach schwedischem Vorbild entscheiden.

Daneben ist eine staatliche Auffanglösung als Entscheidungshilfe geplant. „Das Default-Produkt greift bei Menschen, die keine Zeit haben oder bildungsfern sind oder nicht wissen, was sie tun sollen“, sagte Malmendier. Als Anbieter des Default-Produkts kommen für den Sachverständigenrat die Bundesbank, das Förderinstitut KfW oder der Staatsfonds Kenfo infrage. Auch hier soll es einen Wettbewerb um das beste Konzept geben.

Kapitalmarkt in Europa stärken

In dem am Mittwoch in Berlin vorgelegten Jahresgutachten spricht sich der Sachverständigenrat dafür aus, den Kapitalmarkt in Europa zu stärken. Die Wirtschaftsweisen wollen grenzüberschreitende Finanzierungen erleichtern. Geringere Kapitalkosten seien Voraussetzung für mehr Investitionen der Unternehmen.

Die Wirtschaftsweisen erhoffen sich von einem integrierten und weniger bankenbasierten Kapitalmarkt auch bessere Wagniskapitalfinanzierung. Dies gilt vor allem für die späten Finanzierungsphasen und mehr Exitmöglichkeiten. Die Marktfragmentierung könne auch durch eine stärkere zentrierte Aufsicht bei der EU-Behörde ESMA überwunden werden.

Safe Assets für Europa

Die Wirtschaftsweisen halten zudem European Safe Assets geeignet, um den Kapitalmarkt in Europa zu vertiefen. Hohe Liquidität und Kreditwürdigkeit genießen demnach sogenannte ESBies (European Safe Bonds). Staatsanleihen der Mitgliedstaaten werden nach einem festen Schlüssel gebündelt und in einen sicheren und einen risikoreichen Teil tranchiert. Der Sachverständigenrat sieht es als Vorteil an, dass für die Emission von ESBies weder die Europäischen Verträge angepasst noch gemeinsame Schulden gemacht werden müssten. Sie könnten als Sicherheit, Preis-Benchmark und stabilisierendes Instrument in Krisenzeiten dienen. Zusätzlich könnten sie aus Sicht des Sachverständigenrats die Attraktivität des Euros als internationale Reservewährung stärken.

Artikel Seite 6 Im Interview Seite 7