Lieferkettengesetz

Zwischen Erleichterung und Skepsis

Nach monatelanger Hängepartie hat sich die Bundesregierung auf Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz geeinigt. Der Entwurf sieht abgestufte Sorgfaltspflichten für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigen vor und Bußgelder – aber keine zivilrechtliche Haftung. Das Gesetz soll noch vor der Bundestagswahl kommen.

Zwischen Erleichterung und Skepsis

rec Frankfurt

Mit einer Mischung aus Erleichterung und Skepsis haben Wirtschaftsverbände die Einigung in der Bundesregierung auf Eckpunkte für ein Lieferkettengesetz aufgenommen. Die Bundestagsfraktionen von Union und SPD signalisierten Unterstützung für den Kompromiss. Somit scheint ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bis zum Sommer wahrscheinlich, nachdem das Vorhaben in Teilen von CDU und CSU bislang heftig umstritten war.

Der am Freitag publik gewordene Entwurf geht nun in die Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Er sieht abgestufte Sorgfaltspflichten für Unternehmen zur Wahrung der Menschenrechte in der eigenen Lieferkette vor. Das soll etwa Kinderarbeit und Zwangsarbeit insbesondere bei direkten Zulieferern verhindern. Für Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten soll das Gesetz ab 1.Januar 2023 greifen, für Firmen ab 1000 Mitarbeitern ein Jahr später.

Heil sprach bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der drei Minister von einem „historischen Durchbruch“. Ein Referentenentwurf soll demnach Mitte März vom Kabinett verabschiedet und noch in dieser Legislaturperiode vom Bundestag beschlossen werden. Das Wirtschaftsministerium, das wegen massiver Einwände aus etlichen Verbänden bis zuletzt gebremst hatte, stellte „praxistaugliche, nachvollziehbare Sorgfaltspflichten“ in Aussicht.

Noch viele Fragen offen

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kann als Kontrollorgan bei Verstößen Bußgelder verhängen. Eine zivilrechtliche Haftung ist hingegen nicht vorgesehen. Andernfalls hätten Betroffene von Geschäftspartnern aus dem Ausland vor hiesigen Gerichten auf Schadenersatz klagen können. Besonders in diesem Punkt fielen die Reaktionen kontrovers aus. Während der Präsident des Industrieverbands BDI Siegfried Russwurm lobte, die Bundesregierung habe einen „Konstruktionsfehler“ vermieden, kritisierten Menschenrechtler und Befürworter strengerer Sorgfaltspflichten diesen Kompromiss als unzureichend. So begrüßte die Initiative Lieferkettengesetz, der sich Dutzende Unternehmen und Betriebsräte etlicher Dax-Konzerne angeschlossen haben, den Entwurf als guten ersten Schritt. „Klar ist aber: Ein wirkungsvolleres Gesetz wäre möglich gewesen.“

Direkt zielt das Gesetz auf etwa 3000 deutsche Unternehmen. Viele mehr dürften mittelbar als erstes Glied in den Lieferketten von Konzernen ebenfalls betroffen sein. Darauf verwies BDI-Chef Russwurm: „Die vertragliche Weitergabe der Sorgfaltspflichten durch ihre Kunden belastet in jedem Fall mittelständische Unternehmen unabhängig von ihrer Größe, wenn sie selbst unmittelbare Zulieferer sind.“ Bei dem Präsidenten des Außenhandelsverbands BGA, Anton Börner, überwog Skepsis: „Für Erleichterung ist es zu früh und für Jubel erst recht.“ Zwar seien „viele der völlig überzogenen und praxisfernen Forderungen“ getilgt. Viele Fragen blieben aber offen. Börner nahm auch die Förderbank KfW in die Pflicht. Es sei „geboten, dass der Staat, beispielsweise bei seinen eigenen öffentlichen Ausschreibungen und auch bei denen der KfW, mit gutem Beispiel vorangeht und Nachhaltigkeitskriterien verstärkt berücksichtigt“. Russwurm und Börner  drangen zudem auf eine europaweit einheitliche Regelung. Arbeiten auf EU-Ebene dazu kommen voran. Ein Vorschlag des EU-Parlaments wird für März erwartet, der Entwurf der EU-Kommission im Juni.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Hermann Gröhe, und Fraktionskollegen von der SPD begrüßten den Kompromissvorschlag. Der Wirtschaftsrat der CDU, ein der Partei nahestehender Berufsverband, forderte die Unionsfraktion hingegen abermals auf, das Gesetzgebungsverfahren zu stoppen.