US-Wirtschaft

Konjunkturpaket spaltet Washington

Die Demokraten haben im US-Kongress ein immenses Konjunkturpaket durchgesetzt, das die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise abfedern soll. Heute dürfte das Paket die letzte Hürde nehmen – und für weitere Diskussionen über die Staatsschulden, eine Überhitzung der Wirtschaft und Inflation führen.

Konjunkturpaket spaltet Washington

Von Peter De Thier, Washington

Nach einem politischen Ringen über fast zwei Monate haben US-Präsident Joe Bidens Demokraten ein Konjunkturpaket im Volumen von 1,9 Bill. Dollar durch den Kongress bekommen. Die für heute vorgesehene Abstimmung im Repräsentantenhaus gilt als Formsache, und mit Bidens Unterschrift wird der „American Rescue Plan“ dann Rechtskraft erlangen. Haushalte werden Direktzahlungen von 1400 Dollar pro Person erhalten. Auch wird die von den Bundesstaaten bestrittene Arbeitslosenhilfe um 300 Dollar pro Woche aufgestockt. Staaten, die sich im Kampf gegen das Coronavirus verschuldet haben, werden entlastet. Vorgesehen sind zudem Beträge für die Produktion von Impfstoffen, Steuergutschriften für Familien und Gelder für die sichere Öffnung von Schulen und Universitäten sowie das Gastgewerbe.

Zwar sprach Biden von einem „riesigen Schritt vorwärts“ im Kampf gegen die Pandemie und deren wirtschaftliche Folgen. Die Bedeutung des Programms für die steigenden Staatsschulden, die seine Finanzministerin Janet Yellen zuvor bereits relativiert hatte, erwähnte der Präsident aber nicht. Auch teilt er offenbar nicht die Sorgen vieler Republikaner und Ökonomen, die angesichts der einsetzenden Erholung, die zuletzt auch auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen hat, nun sogar eine Überhitzung der Wirtschaft befürchten.

Biden und Yellen hatten jedenfalls eine schwierige Gratwanderung zu meistern zwischen dem linksliberalen Flügel der eigenen Partei und moderaten Demokraten, die einen parteiübergreifenden Konsens an­strebten. Auf der Strecke blieb in der Endfassung des Gesetzes folglich die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von 7,25 auf 15 Dollar pro Stunde, worauf Senator Bernie Sanders und andere progressive Demokraten bestanden hatten.

Abstriche beim Mindestlohn

Republikanern gingen die Abstriche trotzdem nicht weit genug. Sie kritisieren das Gesetz als zu wenig zielgerichtet und als weiteres Beispiel für das „verschwenderische Gebaren“ der Demokraten. Insbesondere unterstreicht das hauchdünne Abstimmungsergebnis im Senat, wie tief die Risse in dem politisch gespaltenen Washington sind. In keiner der beiden Kongresskammern konnten die Demokraten auch nur einen Republikaner für das Gesetzeswerk gewinnen. Das wiederum verheißt nichts Gutes für weitere Initiativen, ob es um Haushaltsgesetze, Steuerpolitik, Gesundheitsreform oder weitere Maßnahmen geht mit dem Ziel, das immer größere Einkommensgefälle in den USA zu verringern.

Anzunehmen ist jedenfalls, dass das Maßnahmenbündel den Konsum kräftig beleben wird, der in den USA fast 70% der Wirtschaftsleistung ausmacht. Zwar legten viele Bürger nach dem ersten Konjunkturpaket, das im März 2020 verabschiedet worden war, aus Sorge über den Verlauf der Pandemie einen Teil der Zu­schüsse und des höheren Arbeitslosengelds auf die hohe Kante. Da mit den Impfstoffen nun aber ein Ende der Krise in Sicht ist und sich die Nachfrage über zwölf Monate aufgestaut hat, rechnen Experten mit einem regelrechten Konsumrausch, von dem vor allem das Gast- und Freizeitgewerbe profitieren dürften.

Das wiederum wirft die Frage auf, inwieweit eine Überhitzung droht, die den Inflationsdruck erhöht und die US-Notenbank zwingen könnte, den Zeitplan für ihre ultralockere Geldpolitik zu überdenken. Immerhin legten die Privateinkommen im Januar um 10% zu, und wie die 379000 im Januar gemeldeten Neueinstellungen bestätigen, profitiert nun auch der Arbeitsmarkt von der Erholung.

Neben kritischen Republikanern meinen vor diesem Hintergrund sogar einige den Demokraten nahestehende Ökonomen, das Paket sei zu groß. Sie weisen darauf hin, dass zu dem Zeitpunkt, als Biden eine Woche vor seiner Amtseinführung das Gesetz erstmals vorlegte, es der Wirtschaft deutlich schlechter ging. „Würde der Kongress das heute neu zimmern, dann sähe das Paket bestimmt anders aus“, sagte Jason Furman, früher Chefökonom unter Präsident Barack Obama. Zudem schätzt das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) die Produktionslücke, die es zu füllen gilt, auf 600 bis 700 Mrd. Dollar, also gerade mal ein Drittel des Stimulus-Effekts, den das Gesetz entfalten könnte.

Zudem erinnern Republikaner an die wachsenden Staatsschulden, die nun weiter nach oben gedrückt werden. Allein die Konjunkturpakete, die im vergangenen März, Dezember und nun unter Biden verabschiedet worden sind, kosten zusammen 4,9 Bill. Dollar und erhöhen die Verbindlichkeiten des Bundes um fast ein Viertel. „Wir reden oft über die Tragfähigkeit der Staatsschulden“, klagt Mitch McConnell, der republikanische Fraktionschef im Senat. „Der Kurs, auf dem wir sind, ist nicht mehr tragfähig, doch das scheint die Demokraten nicht zu interessieren“.

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