MTU/Airbus

Kontraste in der Luftfahrtkrise

Die Corona-Pandemie hat der Luftfahrtindustrie schwer zugesetzt. Das dramatisch zurückgefallene weltweite Verkehrsaufkommen der Airlines und deren Kampf ums Überleben macht der Branche zu schaffen. Wenn am Donnerstag kommender Woche der...

Kontraste in der Luftfahrtkrise

Von Stefan Kroneck,

München

Die Corona-Pandemie hat der Luftfahrtindustrie schwer zugesetzt. Das dramatisch zurückgefallene weltweite Verkehrsaufkommen der Airlines und deren Kampf ums Überleben macht der Branche zu schaffen. Wenn am Donnerstag kommender Woche der Triebwerkshersteller MTU Aero Engines und Airbus ihre Bilanzen für 2020 vorlegen, wird sich das Desaster in den Zahlen beider Konzerne widerspiegeln. Analysten schätzen, dass das Münchner Dax-Unternehmen im vergangenen Jahr einen Umsatzeinbruch von 12% auf 4,1 Mrd. Euro verbucht hat. Der um Sondereffekte bereinigte Nettogewinn dürfte um rund die Hälfte auf 289 Mill. Euro abgestürzt sein.

Damit wird MTU zwar auf das Niveau von 2015 zurückgefallen sein, der Lieferant für Airbus-Triebwerkskomponenten wird aber voraussichtlich deutlich besser abgeschnitten haben als der Boeing-Rivale mit Hauptsitz in Toulouse. In der Krise bilden sich in der Luftfahrtindustrie Kontraste heraus. Für Airbus war 2020 ein Horrorjahr. Seit der Ende März vergangenen Jahres kassierten ursprünglichen Prognose wagte die Konzernführung keinen neuen Jahresausblick mehr. In Anbetracht eines Umsatzeinbruchs von 35% auf 30 Mrd. Euro und eines Nettoverlusts von 2,7 Mrd. Euro nach neun Monaten wird der Konzern 2020 mit tiefroten Zahlen ab­geschlossen haben. Die Zahl der ausgelieferten Passagiermaschinen schrumpfte um 34% auf 566 Stück. Ein vermutlich robustes Schlussquartal 2020 milderte das Tief etwas ab.

Immerhin kann sich Airbus damit rühmen, im Gesamtbild nicht so schlecht dazustehen wie der Wettbewerber aus Chicago. Die Bilanz von Boeing, die ihre Zahlen bereits veröffentlichte, fiel katastrophal aus. Denn neben der Pandemie belastete die Amerikaner das Desaster mit dem Mittelstreckenmodell 737Max. Boeing hat mittlerweile ihr gesamtes Eigenkapital verbrannt. Schlimmer noch: Das negative Eigenkapital zum Jahresultimo 2020 von über 18 Mrd. Dollar bei einer Bilanzsumme von 152 Mrd. Dollar zeigt, dass der Konzern überschuldet ist.

Boeing kann sich nur mit einer Nettoliquidität von 35 Mrd. Dollar über Wasser halten. Der Konzern profitiert von der Nullzins-Geldpolitik der Notenbanken. Die Wirtschaft pumpt sich mit billigen Bankdarlehen voll. Was ist aber, wenn solche Überbrückungskredite mit steigenden Zinsen teurer werden? Dann zeigt sich, auf welch wackeligen Beinen das Geschäftsmodell basiert. Das (schlechte) Beispiel, das Boeing abgibt, sollte Airbus eine Warnung sein. Auch der europäische Luftfahrtriese dreht mit einer Bilanzsumme von 113 Mrd. Euro ein großes Rad, verfügte aber zuletzt nur noch über ein Eigenkapital von relativ spärlichen 1,9 Mrd. Euro, was 1,7% der Bilanzsumme entspricht (Stand Ende September). Ein abermaliger Milliardenverlust würde dieses dünne Kapitalpolster vernichten. Statt sich über eine Kapitalerhöhung frische eigene Mittel zu beschaffen, handelt Airbus aber wie Boeing und saugt sich mit noch mehr Fremdkapital voll. 2020 erweiterte der Konzern seine Kreditlinien bei Banken. Eine Zinswende offenbarte diese strukturelle Schwäche der Bilanzen. Anleger blenden aber diese Risiken aus. Sie spekulieren darauf, dass die Coronakrise bald endet. Das verdeutlichen die Kurserholungen bei MTU und dem Dax-Aufstiegskandidaten Airbus nach dem Börsencrash vom März 2020. Investoren werden somit verstärkt auf die Konzern-Prognosen achten. Neue Rückschläge bei der Seuchen-Bekämpfung dürften aber am Markt für Enttäuschung sorgen.