LeitartikelGroßbritannien

Banken als heimliche Gewinner

Wenn jemand von Labour profitiert, dann die Banken. Ihnen bleiben nicht nur Steuererhöhungen erspart. Sie profitieren auch von Deregulierung.

Banken als heimliche Gewinner

Großbritannien

Banken als heimliche Gewinner

Von Andreas Hippin

Wenn jemand von
Labour profitiert, dann die Banken. Ihnen
bleiben nicht nur
Steuererhöhungen
erspart. Sie profitieren auch von Deregulierung.

Nicht durch viele Branchen ist ein Aufatmen gegangen, als die britische Schatzkanzlerin Rachel Reeves Ende November ihren Haushalt im Unterhaus vorstellte. In den Wochen davor kursierten diverse Schreckensszenarien. Man fürchtete etwa, dass die Bank of England künftig keine Zinsen mehr auf die bei ihr hinterlegten Reserven der Banken zahlen könnte. Oder dass die von George Osborne eingeführte Bankgewinnsteuer erhöht werden könnte.

Am Ende kamen die Institute jedoch ungeschoren davon. Das erstaunt umso mehr, wenn man sich die Geschäftsentwicklung ansieht. Das hohe Zinsniveau, das an die Einlagenkunden nur in geringem Maße weitergegeben wird, lässt die Gewinne sprudeln und die Aktienkurse steigen. Das weckte angesichts hoher Dividenden und Aktienrückkaufprogrammen bei Labour-Hinterbänklern Begehrlichkeiten, zumal viele von ihnen Ressentiments gegen die Welt der Zigarren und Golfschläger pflegen.

Wachstumsindustrie Finanzdienstleistungen

Im Schatzamt war man sich jedoch offenbar darüber im Klaren, dass die Branche im Vereinigten Königreich ohnehin schon höhere Steuern zahlt als in allen anderen führenden globalen Finanzzentren. Zudem gehört der Sektor zu den acht von der Regierung identifizierten Wachstumsindustrien. Das Land will bis 2035 das innovativste Finanzzentrum der Welt sein.

Kurz nach dem Auftritt von Reeves kündigte J.P.Morgan den Bau eines neuen Büroturms in Canary Wharf an. Er soll doppelt so viel Fläche bieten wie der Shard, das höchste Gebäude des Landes. Die „Priorisierung des Wirtschaftswachstums“ durch die Regierung war CEO Jamie Dimon zufolge „ein kritischer Faktor“ für die Entscheidung.

Raus aus der Ecke

Die Aussage von City-Ministerin Lucy Rigby, die Finanzkrise sei nun doch schon lange her, fand ebenfalls große Aufmerksamkeit in der Square Mile. Labour wolle die Banken nicht länger in die Ecke stellen, sagte sie. Dort hatten sie lange Jahre verbracht, nachdem Royal Bank of Scotland (heute Natwest) und Lloyds Banking Group von den Steuerzahlern gerettet werden mussten. Das Ansehen der Branche, die Reeves einmal eines der großartigsten Assets ihres Landes nannte, ist bis heute ramponiert.

Doch unter Labour sind die Banken die heimlichen Gewinner. Reeves verfolgt eine ambitionierte Deregulierungsagenda. Nach einem Bilanztest, bei dem kein Institut gezwungen war, seine Kapitalposition zu stärken, reduzierte das bei der Bank of England angesiedelte Finanzstabilitätskomitee die Kapitalanforderungen. Es gibt sich fortan bis 13% der risikogewichteten Assets zufrieden. Das ist ein Prozentpunkt weniger als bisher.

Regierung will Kreditvergabe fördern

Die Erwartung der Regierung ist aber klar: Die Banken sollen den zusätzlichen Spielraum dazu nutzen, Unternehmen und Haushalte durch Kredite zu unterstützen, nicht für noch höhere Dividenden und die Ausweitung ihrer Aktienrückkäufe. Sie wird sie nicht dazu zwingen können. Noch weniger wird sie Firmen und Privatpersonen dazu bringen können, Kredite aufzunehmen, die sie nicht wollen.

Die Wirtschaft stagniert. Widersprüchliche Signale der Regierung haben dazu beigetragen, die Investitionsbereitschaft zu dämpfen. Ein Beispiel dafür ist die Autobranche, die man getrost zu den Verlierern des Haushalts rechnen kann. Sie wird sich künftig noch schwerer tun, den von der Regierung vorgeschriebenen Marktanteil von Nulleimissionsfahrzeugen zu erreichen. Denn Labour will Straßennutzungsgebühren erheben, um die Ausfälle bei den Kraftstoffsteuereinnahmen zu kompensieren.

Weniger Autofinanzierungen

Das dürfte das Interesse an Batteriefahrzeugen dämpfen, die schon heute oft teurer im Betrieb sind als Verbrenner. Dann werden weniger Autofinanzierungen nachgefragt. Eine insgesamt schwache Kreditnachfrage könnte irgendwann auch den Höhenflug der Banken dämpfen. Doch erst einmal sind sie die großen Gewinner.