Bankenaufsicht

Baseler Finale

Es ist Zeit, die globalen Bankenkapitalregeln Basel III strikt umzusetzen. Auf die Standardsetzer wartet schon die nächste Aufgabe.

Baseler Finale

Zum Finale ein Crescendo: Wenige Wochen bevor die EU-Kommission ihren Vorschlag zur Umsetzung der noch verbliebenen Elemente des Kapitalregelwerks Basel III für Banken publizieren wird, gewinnt die Debatte deutlich an Dezibel. Mit einem strammen Plädoyer für eine unverfälschte Übertragung der globalen Vorgaben in EU-Recht setzte geballte Prominenz aus Aufsicht und Zentralbanken in der vergangenen Woche nicht nur Kontrapunkt zu den Bemühungen von Banken, die absehbare Verschärfung der Anforderungen an ihr Eigenkapital abzumildern. Sie ließ zu­gleich einen bemerkenswerten Riss in der vermeintlich geschlossenen Front der Aufseher zutage treten, weil zwar Bundesbankpräsident Jens Weidmann, nicht aber der neue BaFin-Präsident Mark Branson den Appell unterstützte. Nicht einmal Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau stellt sich hinter das Vorhaben –  der leitet schließlich das Aufsichtsgremium des Ba­seler­ Ausschusses, der Ba­selIII ersann.

Der Hintergrund: Sowohl in Paris als auch in Berlin hat sich die Politik offen für Erleichterungen gezeigt, etwa indem man Vorgaben wie die von der EZB für jede Bank individuell berechnete Kapitalanforderung „Pillar 2 Requirement“ (P2R) sowie die entsprechende Empfehlung „Pillar 2 Guidance“ (P2G) kurzerhand mit dem erwarteten Anstieg verrechnet. Der Clou: Weil P2R und P2G rein europäische Anforderungen sind, widerspräche dies wohl dem Geist, nicht aber den Buchstaben des Baseler Eigenkapitalakkords – da lacht der Lobbyist.

Wie die EU-Bankenbehörde EBA schätzt, würde dieser sogenannte Parallel Stack Approach den Kapitalauftrieb, Erleichterungen für Kredite an kleine und mittelgroße Unternehmen und andere Lockerungen berücksichtigt, europaweit um 5 Prozentpunkte auf rund 8% verkürzen. Das ist viel, aber nicht die Welt, und der Bankensektor wäre künftig auch in diesem Fall künftig noch immer deutlich stabiler als vor der Finanzkrise, als Großbanken mit ungewichteten Eigenkapitalquoten nahe 2% arbeiteten und weder Sanierungs- noch Abwicklungspläne kannten. Wie der Brüsseler Vorschlag letztlich aussieht, wird weniger von Sorgen um die Finanzstabilität als vom Ergebnis politischen Fingerhakelns abhängen.

Das Problem liegt woanders: Sollte die EU-Kommission­ 14 Jahre nach Beginn der Finanzkrise, elf Jahre nach den Beschlüssen zu BaselIII  und knapp vier Jahre nach deren Abschluss nun auf diese Art ausscheren, würde das Vertrauen in die Fähigkeit Europas, globale Regeln nicht nur mit zu erarbeiten, sondern diesen auch zu folgen, doch empfindlich leiden. Auch würde der Parallelansatz ein Regelwerk, das ohnehin nur mehr wenige Menschen komplett zu durchdringen scheinen, komplexer machen als ohnehin. Bereits jetzt häufen sich Dissonanzen, und internationale Investoren sprechen angesichts der Regulierung in der EU von einer „Komplexitätsprämie“, die Anlagen im Bankensektor abwerfen müssten.

So werden Deutschlands Großbanken, denen die Baseler­ Regeln, wie Frankreichs Platzhirschen, infolge ihrer Restriktionen bankinterner Modelle besonders stark zusetzen dürften, weiterhin das Schreckgespenst einer Wachstumsbremse durch „Basel IV“ an die Wand malen. Wahr ist aber wie bereits vor der Finanzkrise auch: Wer Kapital aufbaut, wird auf Dauer nicht weniger, sondern mehr Kredite vergeben können. Weite Teile der Unternehmens­finanzierung laufen hierzulande ohnehin über Sparkassen und Genossen, welche die Verschärfung der Regeln, wie auch die Banken in den USA, infolge Irrelevanz interner Modelle kaum trifft.

Der Abschluss von BaselIII ist überfällig. Wenn Banken die Anforderungen dank großzügiger Übergangsfristen im Jahre 2028 endlich abgeschlossen haben müssen, wird die Finanzkrise bereits 20 Jahre in der Vergangenheit liegen – fast eine Generation. Dabei liegt auf der Hand, dass angesichts der Erderwärmung längst eine ganz andere Materie nach globalen Regeln auch in der Bankenaufsicht schreit. Die für die Vorgaben internationaler Rechnungslegung (IFRS) verantwortliche Stiftung sucht denn auch bereits einen Standort für ihren künftigen grünen Standardsetzer International Sustainability Standards Board (ISSB). Banken bereiten sich darauf vor, neben dem finanziellen Reporting ein ESG-Berichtswesen zu etablieren. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht will erst einmal nach entsprechenden Lücken im eigenen Regelwerk fahnden. Er muss aufpassen, dass er bald der Musik nicht hinterherläuft.

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