Mailand

Beim Bahnfahren kann Deutschland von Italien lernen

„Machen Sie sich keine Sorgen. Die Anschlüsse werden alle erreicht“: In Deutschland die Ausnahme, in Italien Standard.

Beim Bahnfahren kann Deutschland von Italien lernen

Weihnachtszeit ist Reisezeit. Nicht nur in Italien. Viele sind unterwegs, um ihren Panettone, Pandolce oder Pandoro zusammen mit Verwandten zu verzehren. Aber auch die Skistationen sind ausgebucht und selbst Städte wie Rom, Mailand und Venedig sind in diesen Tagen voll. 17 Millionen Italiener haben sich nach Schätzungen des Branchenverbandes Federalberghi in diesem Jahr auf den Weg gemacht. Fast alle bleiben im eigenen Land und geben voraussichtlich 13 Mrd. Euro aus – so viel wie zuletzt 2019. Außerdem sind an Weihnachten und Silvester mehr als fünf Millionen ausländische Gäste im Land.

Sie reisen mit dem eigenen Auto, mit dem Zug oder dem Flugzeug an. Die meisten kommen pünktlich an. Der Autor dieser Zeilen hatte da kurz vor Weihnachten wenig Glück. Dreimal hintereinander wurde sein Flug mit der Lufthansa annulliert. In der Hotline war kein Durchkommen und beim alternativ angebotenen Online-Chat gab es technische Probleme.

So mancher Italiener wundert sich darüber. Denn die Deutschen gelten als Organisationsweltmeister. Dieser Ruf hat allerdings durch diverse Pannen (Stuttgart 21, Großflughafen Berlin, massive Zugverspätungen) zuletzt gelitten, ebenso wie der Respekt vor der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Doch anders als die Teutonen, die bei der WM wenigstens dabei waren, haben sich die Italiener zweimal hintereinander nicht einmal qualifiziert.

Dafür haben die Italiener die Deutschen in Sachen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bei Transportmitteln klar überholt. Sowohl die hoch defizitäre Staatsairline ITA Airways, an deren Übernahme die Lufthansa stark interessiert ist, als auch die Staatseisenbahn Ferrovie dello Stato (FS) mit ihrer Tochter Trenitalia und ihr privater Konkurrent NTV mit den Italo-Zügen kommen in den meisten Fällen fahrplanmäßig an. Verspätungen gibt es zwar auch. Sie sind aber seltener als in Deutschland.

Trenitalia überrascht die Reisenden nicht nur mit häufig zuverlässigen Echtzeit-Reiseinformationen, sondern bisweilen sogar mit einem kostenlosen Snack und Prosecco dazu. Vor allem auf dem Streckenabschnitt Mailand-Rom und der Verbindung Turin-Neapel verkehren die Schnellzüge von NTV und Trenitalia in einer dichteren Frequenz als in deutschen Ballungsräumen die unzuverlässigen S-Bahnen, die etwa in München höchstens in Ausnahmefällen fahrplanmäßig verkehren. Dabei sind die Tarife der Italiener im Vergleich unschlagbar günstig und die Züge kommen in den meisten Fällen relativ pünktlich an. Italiener, die nach Deutschland reisen, zeigen sich oft regelrecht geschockt über den Zustand des deutschen Bahnsystems.

Selbst bei Verbindungen mit mehrmaligem Umsteigen und oft nur wenigen Minuten zum Zugwechsel erreichen Reisende in Italien die Anschlüsse in den meisten Fällen. Besorgte Fragen des Reisenden, der sich um die knapp kalkulierte Umsteigezeit sorgt, werden von der Dame des Servicepersonals mit einem freundlichen „Machen Sie sich keine Sorgen. Die Anschlüsse werden alle erreicht“ beantwortet. Selbst die Regionalzüge sind inzwischen fast alle modern, komfortabel und überwiegend sauber. In Genua ist die U-Bahn außerhalb der Stoßzeiten umsonst, um mehr Fahrgäste in die öffentlichen Verkehrsmittel zu locken. Das Angebot soll noch erweitert werden, aber das ist auch finanziell ein Kraftakt.

Im Rahmen des europäischen Wiederaufbauprogramms fließen umfangreiche Mittel in den Ausbau der italienischen Infrastruktur. Dazu gehören auch neue Schnellstrecken. Der Bau der Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen Genua und Mailand, Turin und Lyon sowie Neapel und Bari hat längst begonnen. Genua-Mailand soll 2025 fertig sein. Weiter ausgebaut und verlängert werden sollen die Strecken zwischen Mailand und Venedig sowie künftig Triest, die Verbindung zum Brenner sowie Neapel-Reggio Calabria und Palermo-Catania in Sizilien.

So mag in Italien vieles nicht gut funk­tionieren, aber in Sachen Verkehr können die Deutschen von ihnen einiges lernen. Manch ein Reisender mag diese Erfahrung auch bei seinem Weihnachtsurlaub im Belpaese bestätigt sehen.