Das große Comeback der US-Kernenergie
Das große Comeback der US-Kernenergie
KI-Datenzentren und die Streitkräfte treiben die Nachfrage. Trump will den Bau neuer Reaktoren beschleunigen. Auch einzelne Staaten deregulieren die Branche und stützen mit Subventionen die Entwicklung von Atomkraftwerken
Von Peter De Thier, Washington
Seit 46 Jahren kämpft die US-Kernkraftindustrie um ihre Reputation. Nun aber steht der Sektor der Energiewirtschaft, der seit dem legendären Reaktorunglück in Three Mile Island unter Image-Problemen leidet, an der Schwelle zu einem großen Comeback. Notwendig wird die Renaissance der Nuklearenergie durch den immensen Energiebedarf der aufstrebenden KI-Branche. US-Politiker haben zudem erkannt, dass die USA im strategischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Wettrennen mit China große Rückstände wettmachen müssen.
Daraus haben Titanen der Tech-Industrie und Venture-Capital Firmen Konsequenzen gezogen. Sie haben während der letzten drei Jahre Milliarden in kleinere Reaktoren investiert, die Kernschmelzen widerstehen können. Auch will US-Präsident Donald Trump den Sektor von regulatorischen Fesseln befreien. Insbesondere will er das Genehmigungsverfahren für neue Atomkraftwerke (AKW) beschleunigen. Darüber hinaus haben mehrere US-Bundesstaaten seit Jahren geltende Verbote aufgehoben. Sie stützen nun die Kernkraftindustrie mit großzügigen Subventionen.
Krise dauert seit Jahrzehnten an
Die Kernschmelze in Three Mile Island, die 1979 als Folge eines Kühlmittelverlusts und dem anschließenden Unvermögen, Notfallmaßnahmen einzuleiten, zu einer Freisetzung radioaktiver Gase führte, stürzte die Nuklearindustrie in eine tiefe Krise. In der Öffentlichkeit stieß Kernkraftindustrie auf breite Ablehnung. Der Kongress verschärfte die Regulierung der Branche und würgte somit das Wachstum ab. Der Bau neuer Reaktoren kam über Jahrzehnte zum Stillstand. Nach Three Mile Island kam es zu 42 weiteren Reaktorunfällen. Zuletzt 2022 in Minnesotas Monticello Nuclear Generating Plant, als 1,5 Mill. Liter radioaktives Wasser aus dem AKW flossen.
Gleichwohl ist die Branche trotz des weit verbreiteten Misstrauens in den USA zu keinem Zeitpunkt tot gewesen. Heute decken 54 Kernkraftwerke insgesamt ein knappes Fünftel des Strombedarfs im Lande. Auch sind die USA nach Angaben der World Nuclear Association mit einem globalen Marktanteil von 30% der weltweit größte Produzent von Atomkraft. Mit Blick auf die Zukunft nehmen sich die Zahlen aber in Relation zu dem wichtigsten geopolitischen Rivalen bescheiden aus.
Aufholbedarf gegenüber China
Denn während in den USA keine derzeit keine neuen Reaktoren gebaut werden, hat China Vollgas gegeben und treibt den Sektor mit staatlicher Förderung kräftig voran. So wird das Reich der Mitte die 41 bestehenden Anlagen in den kommenden Jahren durch mindestens 30 neue AKW ergänzen, deren Bau bereits im Gange ist. Zudem sieht der 5-Jahresplan, den der Nationale Volkskongress für die Wirtschaft verabschiedete, bis 2035 den Bau von 150 Kernkraftwerken vor. Diese wären theoretisch imstande, den Strombedarf von ein Dutzend Städten der Größe Pekings vollständig zu decken.
Der immense Rückstand hat in den USA sowohl das Weiße Haus als auch Investoren aufhorchen lassen. Das Interesse in der Wirtschaft wird von dem intensiven Energiebedarf der Datenzentren getrieben, die zur Förderung Künstlicher Intelligenz (KI) im Einsatz sind. Folglich haben seit dem Ende der Corona-Krise Branchengiganten wie Microsoft und Meta Milliarden in die Entwicklung kleiner Small Modular Reactors (SMR) und Advanced Modular Reactors (AMR) gesteckt.
Tech-Titanen investieren Milliarden
Großinvestoren wie Bill Gates, Peter Thiel und Open-AI-Chef Sam Altman haben weitere 2,5 Mrd. Dollar zur Förderung von SMRs beigesteuert, die auch „Mini-Atomkraftwerke“ genannt werden. Im Gegensatz zu herkömmlicheren Reaktoren werden diese in Fabriken vorgefertigt und dann an den Standorten montiert. Die Vorteile bestehen in Kostenvorteilen und erhöhter Sicherheit.
Schließlich hatten in der Vergangenheit massive Kostenüberschreitungen nicht selten die Produktion neuer Anlagen torpediert. Die Vorproduktion der Module senkt aber die Baukosten. Auch sind die SMRs flexibler und können bei der Stromerzeugung der tatsächlichen Nachfrage angepasst werden. Ferner betont Gates den Sicherheitsaspekt. Dadurch, dass flüssiges Natrium anstelle von Wasser als Kühlmittel zum Einsatz kommt, sei es so gut wie ausgeschlossen, dass es zu einer Kernschmelze kommen kann.
Hoher Strombedarf des Militärs
Groß ist aber auch das Interesse seitens des Staats. So benötigt das Verteidigungsministerium die Mini-AKW, um Flugzeugträger, Militärschiffe und Stützpunkte mit Strom zu versorgen. Folglich hat das Pentagon an acht Firmen Großaufträge vergeben. Sie sollen auf US-Stützpunkten im südpazifischen Raum kleinere Reaktoren installieren.
Das hat den US-Präsidenten auf den Plan gerufen. Trump hat die Aufsichtsbehörde Nuclear Regulatory Commission (NRC) angewiesen, das Genehmigungsverfahren für den Bau neuer Reaktoren zu vereinfachen. Das wiederum haben Illinois, Montana, Wisconsin und andere Staaten zum Anlass genommen, Verbote, die den Bau von AKWs bisher verhindert haben, aufzuheben. Zudem hat Texas den Geldhahn aufgedreht und 350 Dollar für die Finanzierung neuer Anlagen freigegeben. „Die Zeit für Nuklearenergie ist gekommen“, sagte Trump. Er denkt schon an neue Anreize denkt, um das Comeback zu beschleunigen.