LEITARTIKEL

Die Krupp'sche Hütte brennt

Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff drückt den Reset-Knopf für die Strategie. Die seit 2016 vorbereitete Fusion der Stahlsparte mit Tata und die seit acht Monaten angepeilte Aufspaltung des Konzerns in zwei Teile sind abgeblasen. Stattdessen soll die...

Die Krupp'sche Hütte brennt

Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff drückt den Reset-Knopf für die Strategie. Die seit 2016 vorbereitete Fusion der Stahlsparte mit Tata und die seit acht Monaten angepeilte Aufspaltung des Konzerns in zwei Teile sind abgeblasen. Stattdessen soll die lukrative Aufzugssparte, das Kronjuwel des Konzerns, an die Börse gehen, um mit den Einnahmen die gefährlich niedrige Eigenkapitalquote von unter 10 % anzuheben. Tatsächlich wirft der Erfolg der Aufzugssparte, deren Wert von Analysten auf 14 Mrd. Euro geschätzt wird, ein Schlaglicht auf den desaströsen Rest des Konzerns, der an der Börse auch nach dem Kurssprung, den die Eindeckung von Leerverkäufern zusätzlich befeuert hat, nur noch 8 Mrd. Euro wert ist und dem der Dax-Abstieg droht.Knapp ein Jahr nach Amtsantritt als Vorstandschef hat der zuvor als Finanzvorstand fungierende Kerkhoff es mit seiner 180-Grad-Wende ein weiteres Mal geschafft, seine Position an der Spitze abzusichern – zumindest vorerst. Seit Kerkhoff im Jahr 2011 von der Telekom zu Thyssenkrupp wechselte, hat sich der Börsenwert des Konzerns halbiert. Zugegeben: Die Vorgänger von Kerkhoff und Ex-Vorstandschef Heinrich Hiesinger hatten 12 Mrd. Euro in Stahlinvestitionen in Amerika gesteckt, von denen 8 Mrd. Euro unwiederbringlich verloren gingen. Fast wäre das Unternehmen daran zugrunde gegangen. Dass es anders kam, ist auch Hiesinger und Kerkhoff zu verdanken. Doch wurde im Rest des Konzerns – jenseits der Stahlsparte – in der Zwischenzeit zu wenig vorangebracht.Jedes der drei Machtzentren bei Thyssenkrupp kann sich nun unter der neu ausgerufenen “disruptiven” Wende das vorstellen, was es möchte. Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather wird sich künftig verlässliche Dividendenströme für ihre gemeinnützige Arbeit ausmalen. Für den schwedischen Finanzinvestor Cevian hat Kerkhoff genügend Andeutungen gemacht, dass sich Cevian-Chef Lars Förberg unter der Strategiewende den Einstieg in einen sequenziellen Abverkauf aller sechs Sparten vorstellen kann – also eine sogenannte Zerschlagung. Zudem sollen die zentralen Verwaltungskosten des von Förberg als überdimensionierter “Wasserkopf” kritisierten Thyssenkrupp-Hauptquartiers in Essen bis 2021 auf weniger als 200 Mill. Euro halbiert werden. Auch für die Gewerkschafter der IG Metall, die Kerkhoff bisher stützten, hat der Konzernchef etwas parat – allerdings nicht allzu viel: Die Stahlsparte – und damit der historische Kern von Thyssenkrupp – bleibt Teil des 200 Jahre alten Unternehmens, bei vollem Erhalt der montanen Mitbestimmung, die nach einer Fusion mit Tata nicht mehr gegeben gewesen wäre.An den anhaltenden operativen Problemen des Konzerns in allen sechs Sparten und am akuten Kapitalmangel ändert das alles zunächst nichts. Unterm Strich wird im Geschäftsjahr 2018/19 – anders als noch bis vor wenigen Tagen angekündigt – ein Verlust stehen. Es wird keine milliardenschweren Buchgewinne aus dem Stahl-Joint-Venture geben, die die Eigenkapitalbasis gestärkt hätten. Zugleich bleibt die komplexe Konzernstruktur mit sechs Sparten für Aufzüge, Automobilkomponenten, Großanlagenbau, Stahlproduktion, Werkstoffhandel und Kriegsschiffe, die keinerlei Synergien haben, vorerst erhalten. An der Aufzugssparte wird Thyssenkrupp künftig nur noch beteiligt sein. Positiv zu vermerken ist dagegen, dass die Kosten der Aufspaltung, die wegen Steuerzahlungen auf gehobene stille Reserven bei 1 Mrd. Euro gelegen hätten, nun entfallen.Der Schlüssel zur Rettung von Thyssenkrupp ist die Kapitalausstattung. Restrukturierungen, die dringend notwendig wären, belasten oft zunächst das Eigenkapital und den Cashflow. Beides ist bei Thyssenkrupp knapp. Damit erschwert die schwache Bilanz alles, was zu tun notwendig wäre.Es wird nun spannend sein zu beobachten, ob der Emissionserlös aus dem Börsengang der Aufzugssparte für Thyssenkrupp rechtzeitig kommen wird. Die Geschäftsentwicklung in den übrigen Teilen des Konzerns läuft derzeit so schlecht, dass der Kapitalbedarf schon vor der geplanten Erstnotiz akut werden könnte. Die Konjunktur trübt sich ein, und die Kartellstrafe wegen Preisabsprachen bei Grobblechen wird voraussichtlich bald zu zahlen sein. Eine Kapitalerhöhung kann Thyssenkrupp nicht so einfach durchführen. Dazu fehlt ein von der Hauptversammlung genehmigtes Kapital. Es bräuchte dafür ein außerordentliches Aktionärstreffen.—-Von Christoph RuhkampDer Schlüssel zur Rettung von Thyssenkrupp ist die Kapitalausstattung. Hoffentlich kommt der Börsengang der Aufzugssparte noch rechtzeitig.—-