Ein Realitätscheck mit vielen Fragezeichen
Energiewende
Realitätscheck mit vielen Fragezeichen
Von Andreas Heitker
Das Tempo der Energiewende darf nicht
gebremst werden – auch wenn wir dringend mehr Steuerung und Effizienz im System brauchen.
Katherina Reiche hat recht, dass sie die komplette Energiewende noch einmal auf den Prüfstand stellt und einem Realitätscheck unterzieht. Denn nahezu alle Studien, die in den vergangenen zwölf Monaten zu diesem Thema vorgelegt wurden, hatten zum Teil dreistellige Milliardensummen an Einsparoptionen aufgezeigt. Und dass die deutschen Energiepreise mittlerweile zu einem derartigen Wettbewerbsnachteil für den Standort geworden sind, zeigt ebenfalls, dass sich strukturelle Probleme bei der Dekarbonisierung eingeschlichen haben. Der Ansatz der Bundeswirtschaftsministerin, stärker auf Effizienz zu achten, den Ausbau von Solar- und Windparks und der Stromnetze besser aufeinander abzustimmen und das Förderregime passgenauer zu gestalten, ist daher ohne Abstriche zu begrüßen.
Stromnachfrage schwierig zu prognostizieren
Der Zehn-Punkte-Plan, mit dem Reiche die Energiewende nun wettbewerbsfreundlicher und günstiger machen will, hinterlässt allerdings noch viele Fragezeichen. Zwar liegt jetzt der Monitoringbericht vor, den sie zum Stand der Dinge in Auftrag gegeben hat. Die Ableitung konkreter Maßnahmen und neuer Ziele fehlt aber noch. Niemand kann derzeit sagen, wie hoch das Einsparpotenzial von Reiches Masterplan überhaupt ist. Vieles hängt dabei von den neuen mittel- bis langfristigen Prognosen zum Stromverbrauch ab, aus denen sich dann der Bedarf an Erzeugungskapazitäten und an Netzen ableitet.
Natürlich liegt die Nachfrage bis 2030 deutlich unter den bisherigen Planungen. Die Elektrifizierung der Heizungen und des Verkehrs stockt, und die Industrie produziert nicht mehr so wie erhofft. Doch was ist mit den zahlreichen Batteriespeichern, was mit dem riesigen zusätzlichen Strombedarf in Rechenzentren – Stichwort KI? Der Umstieg auf Elektromobilität ist vielleicht aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Und wenn die Wirtschaft wirklich wieder anspringt, sieht die Stromnachfrage auch noch einmal anders aus. Die Neujustierung der Energiewende muss auf diese Szenarien vorbereitet sein.
Reiche sorgt für neue Unsicherheiten im Markt
Im Monitoringbericht heißt es recht klar, dass ein hohes Tempo bei Ausbau der Erneuerbaren auch bei einem geringeren Stromverbrauch notwendig bleibt. Katherina Reiches vermittelt in ihren öffentlichen Auftritten dagegen den Eindruck, dass sie dies etwas anders sieht. Neue Unsicherheiten im Markt kann aber niemand gebrauchen. Wir brauchen nämlich beides: sowohl Tempo als auch mehr Effizienz.