Es klemmt im Luftfahrtsystem in Europa
Es klemmt im Luftfahrtsystem in Europa
Auch ohne Shutdown abgehängt
Von Lisa Schmelzer
Ein Chaos vergleichbar mit dem im US-Luftverkehr während des Shutdown ist in Deutschland nicht zu befürchten. Aber staatliche Akteure machen der Branche auch hierzulande das Leben schwer.
Die gute Nachricht vorweg: Chaotische Verhältnisse, wie sie zuletzt im amerikanischen Flugverkehr wegen des Shutdowns zu beobachten waren, sind in Deutschland eher unwahrscheinlich. Die schlechte Nachricht: Richtig gut läuft es auch im deutschen bzw. europäischen Luftverkehr nicht und das hat auch viel mit staatlichen Akteuren zu tun.
Der wochenlange Shutdown als Folge der fehlenden Einigung auf einen Bundeshaushalt hatte auch gravierende Folgen für den US-Luftverkehr. Fluglotsen, die als staatliche Angestellte kein Gehalt mehr erhielten, blieben der Arbeit fern, deshalb mussten Hunderte Flüge täglich gestrichen werden, Zehntausende Flüge waren verspätet. Die Deutsche Flugsicherung ist zwar auch eine öffentliche Einrichtung, aber organisatorisch unabhängig von der direkten politischen Kontrolle. Im Falle einer Haushaltssperre wären eventuell neue Projekte betroffen, aber nicht laufende Verpflichtungen wie Löhne und Gehälter. Zudem finanziert sich die Flugsicherung aus Gebühren, diese fließen unabhängig von der Verfassung des Bundeshaushalts.
Staatliche Standortkosten haben sich verdoppelt
So weit, so beruhigend. Doch auch der deutsche und europäische Luftverkehr ist politischen Einflüssen ausgesetzt. So beklagt die deutsche Luftverkehrswirtschaft seit Jahren die hohen Standortkosten im Heimatmarkt, die die Entwicklung behindern. Zuletzt rechnete der Chef des Flughafens Frankfurt, Stefan Schulte, vor, dass für ein Flugzeug von Frankfurt nach New York rund 20.000 Euro an staatlich verordneten Kosten anfallen. Zum Vergleich: Für einen Flug von Madrid an die amerikanische Küste werden nur rund 1.000 Euro fällig. Dahinter stecken vor allem drei Faktoren: die nationale Luftverkehrsteuer, Luftsicherheitsgebühren (Sicherheitskontrolle am Flughafen) und Flugsicherungsgebühren. Nur jedes zweite EU-Mitglied erhebt überhaupt eine Luftverkehrsabgabe – und in keinem anderen Land ist diese so hoch wie in Deutschland. Laut Luftfahrtbranche haben sich in Deutschland die staatlichen Standortkosten seit dem Jahr 2020 nahezu verdoppelt.
Welche Folgen das für den Luftverkehrsstandort Deutschland hat, lässt sich Monat für Monat beobachten. Immer mehr Fluggesellschaften streichen Verbindungen, die angesichts hoher Kosten nicht mehr rentabel sind. Airlines kürzen ihr Deutschland-Programm teils drastisch zusammen und verlagern Flugzeuge ins europäische Ausland. In der Folge hat sich der Luftverkehr hierzulande seit der Pandemie sehr viel langsamer erholt als anderswo in Europa. Mancher Flughafen und damit die dazugehörige Region hat weitgehend den Anschluss verloren. Wichtige Wirtschaftsregionen wie Friedrichshafen sind nicht mehr an den internationalen Luftverkehr angeschlossen.
Single European Sky auch nach 20 Jahren nicht umgesetzt
In den USA dürfte die Sache einfach sein: nachdem der Haushaltsstreit nun beigelegt ist, sortiert sich auch im Luftverkehr das Chaos vermutlich binnen Tagen. In Deutschland dagegen gibt es kaum Fortschritte zwischen Branche und Politik. Airlines fordern seit Jahren eine Mischung aus finanzieller Unterstützung, Steuererleichterungen, Investitionen in die Transformation sowie regulatorische Erleichterungen. Angesichts der angespannten Haushaltslage in Deutschland alles keine Selbstläufer. Trotz vollmundiger Ankündigungen im Koalitionsvertrag – „die luftverkehrsspezifischen Steuern, Gebühren und Abgaben wollen wir reduzieren und die Erhöhung der Luftverkehrsteuer zurücknehmen“ – ist bisher kaum etwas passiert, was die Luftfahrtindustrie entlasten könnte.
Manche Erleichterung setzt zudem politische Einigung voraus. Dass darüber gerne mal Jahrzehnte ins Land gehen können, zeigt beispielhaft das Thema Single European Sky. Den einheitlichen europäischen Luftraum hat die EU-Kommission vor mehr als 20 Jahren als Projekt aus der Taufe gehoben, um die Fragmentierung des europäischen Luftraums zu überwinden. Dass der Himmel über Europa in viele nationale Lufträume unterteilt ist, sorgt für Verspätungen, höhere Kosten und mehr Emissionen. Richtig vorangekommen ist man in den vergangenen 20 Jahren nicht.
