Brücke oder KrückeUS-Handelsdeal

Europas Industrie setzt die Segel

Der europäische Industriestandort schwächelt ohnehin schon. Mit dem Handelsdeal zwischen EU und USA ist der Boden für eine weitere Deindustrialisierung bereitet – insbesondere in Schlüsselindustrien wie der Automobilbranche.

Europas Industrie setzt die Segel

Handelsdeal

Industrie kann
die Segel setzen

Von Sebastian Schmid

Die deutsche Wirtschaft schrumpft. Im zweiten Quartal wurde vor allem wegen der schwächelnden Industrie ein Rückgang um 0,3% verzeichnet. Und der jüngste Handelsdeal der EU mit den USA ist geeignet, die Industrieproduktion in der Eurozone weiter zu schwächen. Viele Unternehmen und Wirtschaftsverbände begrüßen den Deal zwar. Mit Blick auf exportorientierte Branchen wie die Autoindustrie kann aber nur von einem veritablen Eigentor gesprochen werden.

Neue Argumente für US-Werke

Künftig werden auf Autos, die aus der EU in die USA exportiert werden, 15% Zoll erhoben. Umgekehrt dürfen in den USA produzierte Fahrzeuge zollfrei in die EU verschifft werden – und zwar unlimitiert. Schon ohne den neuen Kostenvorteil sprachen nicht wenige Argumente für eine Verlagerung der Fertigung ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Deutlich günstigere Energiekosten, geringer gewerkschaftlicher Organisationsgrad, liberales Arbeitsrecht und ein besserer Zugang zum zweitgrößten Automarkt der Welt. Zumindest für Autohersteller mit signifikantem US-Geschäft ist es aus rein wirtschaftlicher Sicht deutlich attraktiver, neue Werke dort zu planen statt in der EU.

Porsche muss Umdenken

Auf französische und italienische Autobauer trifft das zwar nur eingeschränkt zu. Bei den deutschen Premiumherstellern sieht es aber anders aus. Mit knapp 44.000 Stück ist etwa jeder dritte Porsche, der im ersten Halbjahr verkauft wurde, in Nordamerika ausgeliefert worden. Das waren knapp 8.000 Sportwagen mehr, als die Zuffenhausener in Europa (exklusive Deutschland) absetzen konnten. Zudem zeigt der Absatztrend in Europa und Asien nach unten. Nur die US-Verkäufe legen zu. Angesichts des enormen Margendrucks dürfte sich gerade Porsche mit der Grundsteinlegung in Amerika daher nicht allzu lange Zeit lassen.

EU fehlt der Hebel

Unmittelbar profitieren könnten Mercedes und BMW von den neuen Rahmenbedingungen. Sie exportieren nach eigener Auskunft knapp zwei Drittel bzw. 60% ihrer US-Produktion. Wenn sich ihre Werke in Amerika schon vor dem Handelsdeal gelohnt haben, werden sie sich künftig erst recht rechnen. VDA-Präsidentin Hildegard Müller mahnt zwar an, langfristig müssten die Zölle wieder sinken. Wo der Hebel für die EU ist, um mit Trump nachzuverhandeln, erschließt sich aber nicht. Der Boden für Europas Deindustrialisierung ist bereitet. Die Industrie kann schon mal die Segel setzen.