Größe ist Trumpf
Versicherer
Größe ist Trumpf
Versicherer haben den Inflationsschub überstanden. Doch jetzt kommen Übernahmen und Fusionen.
Von Michael Flämig
Das Zoll-Chaos der US-Regierung hält die Investoren in seinem Bann. Vergleichsweise entspannt können jene Aktionäre das Geschehen verfolgen, deren Geld in der Assekuranz steckt. Der Sektor wird seinem Ruf gerecht, in turbulenten Zeiten sehr gut abzuschneiden. Dementsprechend haben die Bewertungen an der Börse im Frühjahr einen noch höheren Stand erreicht als in anderen Sektoren. Doch mancherorts kommen die Dinge ins Rutschen.
Seitdem Anfang März klar wurde, dass US-Präsident Donald Trump Ernst macht mit einer Ankündigung hoher Zölle, setzten sich die 600 führenden europäischen Versicherer an der Börse klar von dem Top50 der europäischen Wirtschaft ab. Bis zur Verkündigung des allgemeinen Zollregimes am 3. April legten die Kurse der Branche um 3% zu, während der Euro Stoxx 50 um 7% einbrach.
Die Outperformance geht zurück
Die Outperformance des Assekuranz-Index hält an, doch sie schrumpft seit dem 6. Mai. Die veränderte Sichtweise auf Einzeltitel lässt aufhorchen. Nur noch fünf von 23 Analysten empfehlen die Aktie der Munich Re zum Kauf. Zurückhaltung ist auch bei der Allianz zu beobachten. Goldman Sachs stufte den Erstversicherer am 20. Mai auf neutral zurück. Die Begründung: Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liege mit 12,3 am oberen Ende der historischen Werte, im Schnitt von zehn Jahren seien es 10,1.
Nicht alle Assekuranz-Titel werden mit spitzen Fingern angefasst. Die Privatbank Berenberg berichtet sogar generell von einem starken Interesse von Investoren am Versicherungssektor. Aber die allgemeine Kurs-Rally der Aktienbörsen lässt die Luft dünner werden. Im Fall der Versicherer kommt hinzu, dass jede Stabilisierung der Zoll-Regelungen andere Investments relativ attraktiver macht.
Der Pulverdampf legt sich
Vor allem aber legt sich in der Sachsparte der Pulverdampf nach dem Inflationsschub. Anfangs waren die Vorstände der Versicherer – wie auch die Manager in der Industrie – auf dem falschen Fuß erwischt worden. Die Beiträge in der Sachversicherung konnten nur mit Verzögerung erhöht werden.
Mittlerweile steigt die Profitabilität zumindest in den Sachsparten stark. Die Autoversicherung robbt sich in Richtung versicherungstechnischer Gewinne. Die gesamte Sachversicherung präsentiert sich robust, dies zeigt das Beispiel Deutschland. Wenn man die addierten Schadenzahlungen und Verwaltungskosten in Verhältnis zu den Beiträgen setzt, so war die Branche schon im vergangenen Jahr unter 95% gesunken.
Die Grenze is tin Sichtweite
Damit nähert sie sich der Grenze ihrer Möglichkeiten. In 5-Jahres-Momentaufnahmen seit dem Jahr 2010 standen 98%, 96% und 91% zu Buche. Jene 91% im Corona-Ausnahmejahr 2020 mit geringen Schadenzahlungen waren der beste Wert seit zwei Jahrzehnten. Sobald die Margen steigen, nimmt der Wettbewerb in der Regel zu. Sollte zudem die Konjunktur stottern, sind Versicherer zwar weniger stark als andere Branche getroffen, aber die Nachfrage mindert sich dennoch.
Einen generellen Trendwechsel gibt es bisher nicht. Aber es lässt aufhorchen, dass die Preise in der britischen Autoversicherung gesunken sind, nachdem sie im Jahr 2023 um 30 bis 50% gestiegen waren. Ob die Stabilisierung im Mai wirklich hält, muss sich erst erweisen.
Fusionen und Übernahmen stehen bevor
Sobald sich der Blick auf die Ertragslage des Sektors verstetigt, werden sich Versicherer in Fusionen und Übernahmen stürzen. Jeder Vorstand hat erlebt, wie kräftezehrend der letzte Preiszyklus war. Mancherorts schwinden die Reserven. Zudem nehmen die Skaleneffekte in diesem Geschäft zu. Die Regulierung trifft die kleineren Häuser besonders hart. Und: In Europa müssen die Versicherer kompensieren, dass die klassischen Kernzielgruppen zwischen 20 und 60 Jahren kleiner werden.
Vor allem aber zahlt Größe sich aus, weil Investitionen in Datenanalyse die Voraussetzung für Erfolg werden. Nur so lässt sich die Konkurrenz der Produkt- und Preisvergleicher abwehren. Die Tarifierung muss außerdem granularer werden, um Profitabilität auch in schlechten Zeiten zu sichern. Größe wird zur Trumpfkarte für Versicherer.