Frankreichs Luxusgüterbranche

Luxus bleibt unwiderstehlich

Nachdem LVMH, Hermès, Kering und L’Oréal in diesem Jahr bisher mit hohen Wachstumsraten glänzten, ziehen am Horizont ein paar erste Wolken auf.

Luxus bleibt unwiderstehlich

Ukraine-Krieg, Covid-Restriktionen in China, steigende Inflation und Rohstoffpreise hin- oder her: All diese Sorgen scheinen den französischen Luxusgüterriesen nichts anhaben zu können. Wie der Morgen bei James Bond scheint ihr Wachstum nie zu sterben. Egal ob Branchenprimus LVMH, Kering, Hermès oder L’Oréal, sie alle haben ihr Vorkrisenniveau längst wieder erreicht und im dritten Quartal mit zweistelligen Wachstumsraten die Erwartungen übertroffen. So verbesserte sich der Umsatz von LVMH im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 27 % auf 19,75 Mrd. Euro, der von Kering um 23 % auf 5,14 Mrd. Euro, der von Hermès um 32,5 % auf 3,14 Mrd. Euro und der von L’Oréal um 19,7 % auf 9,57 Mrd. Euro. An der Börse haben die Aktien in den letzten Wochen erneut zugelegt, getrieben vor allem von der Hoffnung, China könnte von seiner Null-Covid-Politik abrücken. Von der Börsenkapitalisierung her machen die Luxusgüterriesen inzwischen fast 30 % des CAC 40 aus. Auch ihnen ist es zu verdanken, dass Paris London gerade als größter Börsenplatz Europas überholt hat.

Doch wie lange kann dieses Wachstum noch weitergehen, fragen sich Beobachter. Während viele Normalbürger angesichts der hohen Inflation ihr Geld stärker zusammenhalten, kaufen betuchte Kunden von LVMH und Co bisher, als sei nichts passiert. „Insgesamt sehen wir Anzeichen, dass der obere Spitzenluxus widerstandsfähig ist“, erklären die Analysten von HSBC. „Aber wir sehen Gründe, dass einige mehr Mainstream orientierte Preispunkte – vor allem bei Louis Vuitton – kurzfristig leiden könnten.“

Boom bis 2030

2022 zumindest dürfte die Luxusgüterbranche neue Rekordwerte verbuchen, meint die Unternehmensberatung Bain & Company. In ihrer jüngsten Branchenstudie geht sie davon aus, dass der globale Luxusgütermarkt 21 % auf 1.400 Mrd. Euro zulegen dürfte. Die Verkäufe von Luxusgüterprodukten dürften um 22 % auf 353 Mrd. Euro steigen. Wie jetzt das vierte, für das Jahresergebnis entscheidende Quartal verlaufe, hänge zu einem Großteil von einer progressiven Aufhebung der Covid-Restriktionen in China ab, aber angesichts der Inflation, steigender Lebenshaltungskosten und einer möglichen Rezession auch von dem Vertrauen der Kunden in Europa und den USA, meinen die Bain-Experten. Zumindest bisher entwickelt sich Europa robust, wobei Paris als Hauptstadt der Branche in Europa glänzt. Entsprechend gehört Frankreich zusammen mit Spanien zu den dynamischsten Märkten für Luxusgüter in Europa, gefolgt von Großbritannien und Spanien.

Trotz der trüben Konjunkturaussichten rechnet Bain damit, dass die Branche auch im kommenden Jahr, ja sogar im gesamten Jahrzehnt weiter wachsen wird. Für 2023 erwartet die Unternehmensberatung, dass die Verkäufe von Luxusgüterprodukten bei konstanten Wechselkursen 3 % bis 5 %, im besten Falle sogar 6 bis 8 % steigen werden, je nachdem wie sich die chinesische Wirtschaft erholt und wie widerstandsfähig die USA und Europa sein werden. Bis 2030 sagt die Studie sogar einen Anstieg von 60 % auf 540 bis 580 Mrd. Euro voraus. Dabei dürften die Ausgaben der Generationen Z und Alpha für Luxusgüterprodukte dreimal so schnell steigen wie die anderer Generationen, meinen die Autoren.

Ihren Geschmack zu treffen, wird die Aufgabe des neuen Designchefs sein, den Kering nun für seine wichtigste Tochter Gucci finden muss. Der Rücktritt von Alessandro Michele als Chefdesigner der 1921 gegründeten Marke sei positiv, urteilen die Analysten von Barclays und Bernstein. Denn es sei zuletzt zu einer gewissen Markenmüdigkeit bei Kunden von Gucci gekommen, insbesondere in China. Die Marke macht fast Zweidrittel des operativen Gewinns von Kering aus. Gucci selber realisiert fast die Hälfte der Verkäufe in China. Gleichzeitig entstammen viele Gucci-Kunden der Generation Z, deren Kaufkraft angesichts der Konjunkturabschwächung anfälliger als die älterer Semester ist.

Dass sich Gucci zuletzt weniger gut als andere Luxusmarken entwickelte, habe den Kurs und die Bewertung von Kering belastet, meint Thomas Chevet von Citi. Gucci befinde sich nun in einer komplexen Übergangsphase. Die Marke müsse wiederbelebt und das Verhältnis des Mode-Charakters zur Zeitlosigkeit historischer Kollektionen neu justiert werden.

Wird Kering den Nachfolger von Michele intern oder außerhalb rekrutieren, fragen sich Beobachter nun. Einige mutmaßen sogar, dass die Marke in Divisionen aufgespalten werden und weitere Führungswechsel folgen könnten.

Der Ehrgeiz, mit Gucci mittelfristig Verkäufe von 15 Mrd. Euro erzielen zu wollen, scheine unerreichbar, meint Analyst Flavio Cereda von Jefferies. Zum Vergleich: In den ersten neun Monaten des Jahres betrugen sie 7,75 Mrd. Euro, im gesamten letzten Jahr 9,73 Mrd. Euro. Seit Kering den damals noch relativ unbekannten Michele zum Chefdesigner seiner wichtigsten Marke machte, hat sich der operative Gewinn Guccis mehr als verdreifacht. Der Luxusgüterkonzern, der damals noch Pinault Printemps Redoute hieß, hatte 1999 zunächst eine Beteiligung von 42 % erworben. Als er Gucci 2004 dann komplett übernahm, ging der damalige Chefdesigner Tom Ford. Kering hatte jetzt ein Auge auf die danach von ihm gegründete gleichnamige Marke geworfen, doch Estée Lauder schnappte sie ihm gerade vor der Nase weg.

Hohe Preise akzeptiert

Bei dem größeren heimischen Rivalen LVMH könnte es bei Louis Vuitton und Dior ebenfalls Zeit für Veränderungen im Management sein, da für beide Marken ein neues Kapitel beginne und sie beide Zweidrittel des Ergebnisses vor Zinsen und Steuern (Ebit) des Gesamtkonzerns ausmachen, glauben die Analysten von HSBC. Mode und Lederwaren sind der Hauptumsatzbringer der weltweiten Nummer Eins der Luxusgüterindustrie, die mit den 75 Häusern ihrer sechs Sparten breiter als viele Konkurrenten aufgestellt ist. Dennoch dürfte sich das Wachstum von LVMH in den wichtigsten Märkten Ende des Jahres und im ersten Quartal 2023 abschwächen, erwartet HSBC. Für die gesamte französische Luxusgüterindustrie ist entscheidend, ob die starke Rückkehr amerikanischer Touristen nach Europa, von dem sie in diesem Jahr profitiert hat, anhalten wird, genau wie das starke Wachstum in den USA, dem nach wie vor wichtigsten Markt des Sektors. Trotz der nun erwarteten Abschwächung des Wachstums schätzen Branchenkenner, dass die stärksten Luxusmarken weiter Marktanteile gewinnen werden, da Konsumenten auf die bekanntesten Namen setzen dürften. Als Beispiele nennt Jefferies-Analyst Cereda Chanel, Hermès, Louis Vuitton und Dior.

Leder verteuert

Da sie so begehrt sind, dass es für einige Modelle von ihnen Wartelisten gibt, hatten sie bisher auch keine Mühe den Anstieg der Rohstoffpreise durch Preisanhebungen aufzufangen. Im Schnitt haben Louis Vuitton, Dior und Chanel die Preise für ihre Lederwaren seit 2021 bereits um 5 bis 10 % erhöht. Hermès hat gerade bestätigt, die Preise in diesem Jahr um 4 % anheben zu wollen, 2023 dann um 5 bis 10 %.

All das scheint Kunden jedoch nicht zu schrecken. In einer gerade von Kantar und Altiant in den USA, China und Europa bei Luxusgüterkunden aus der 5 % der obersten Einkommensschicht durchgeführten Befragung gaben 65 % an, im nächsten Jahr mehr Geld für Luxusgüter ausgeben zu wollen. Trotz einiger Wolken am Horizont haben die französischen Luxuskonzerne also Grund zu Hoffnung, dass sie 2023 weiter zulegen können.

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