Mailand

Mehr als ein Thermalbad

Die Region um Abano Terme erholt sich von der Coronakrise. Die Touristen kehren in die Thermalzone zurück. Das freut Hotelbetreiber, Investoren – und natürlich Grappa-Hersteller.

Mehr als ein Thermalbad

Es geht wieder aufwärts in Abano Terme. Viele Gäste sind nach der Corona-Pandemie zurückgekehrt in das berühmte Thermalbad an den Euganeischen Hügeln bei Padua. Die mehr als 100 Hotels mit rund 18000 Betten in Europas größter Thermalzone sind zumindest wieder halbwegs gefüllt. Mehr als 870000 Gäste kamen 2019 in die Thermalregion, die rund um das Hotel- und Bädergeschäft um die 500 Mill. Euro erwirtschaftet und 8500 Beschäftigte zählt. Besonders geschätzt wird Abano von Deutschen, Schweizern und Österreichern. Sie stellen den Großteil der 40% ausländischer Besucher.

Es wird auch wieder investiert. Eine neue Generation von Hotelbetreibern erneuert die teils in die Jahre gekommenen Einrichtungen. Die russische Finanzgruppe Vhotels hat vier Hotels erworben und will ein luxuriöses Fünf-Sterne-Haus bauen, der US-Fonds Apollo hat Hotels gekauft und setzt ebenfalls auf Luxus. Auch ein israelischer Fonds hat ein Hotel erworben.

Abano und das benachbarte Montegrotto Terme haben den Gästen, die in dem leicht radioaktiven Brom-Jode-Sole-Wasser, das mit 87 Grad aus der Tiefe kommt, Heilung von Rheuma- oder Nervenleiden suchen oder einfach nur relaxen wollen, etwas zu bieten. Anders als früher setzen die Verantwortlichen heute nicht mehr nur auf Fangobehandlungen oder Erholung in den mehr als 220 Thermalbecken der Region. Die Hügel des Parco Naturale dei Colli Euganei laden auch zu anderen Aktivitäten ein, die nun stärker herausgekehrt werden.

Hier war einst der Garten Venedigs. Die vielen Kanäle, an deren Ufern Radwege eingerichtet wurden, dienten früher dazu, Lebensmittel, Wein und Baumaterial, vor allem Steine für den Häuserbau, in die Lagunenstadt zu transportieren. Umgekehrt hatten viele Venezianer Schlösser oder Landhäuser in der Region, die sie per Boot bequem erreichen konnten. Einer der berühmtesten davon war der Dichter Francesco Petrarca. Sein ehemaliges Wohnhaus in Arqua Petrarca, in dessen Garten er Obst und Gemüse anbaute, kann heute besichtigt werden. Die Region lockt auch mit Burgen und mittelalterlichen Städtchen, sportlichen Aktivitäten und Ausflügen in die nahen Städte Verona, Vicenza, Padua und Venedig sowie einem reichhaltigen gastronomischen Angebot.

Ganz in der Nähe liegen berühmte Weinanbaugebiete wie Amarone, Soave, Valpolicella, und es wird Grappa produziert. Einer der bekanntesten Hersteller ist das Familienunternehmen Poli aus Schiavon, mit dem Auto etwas mehr als eine halbe Stunde von Abano Terme entfernt. Die Gegend um Bassano del Grappa mit der berühmten Holzbrücke des Renaissance-Architekten Andrea Palladio ist ein echter Touristenmagnet.

Der Grappa-Hersteller, der in vierter Generation von Jacopo Poli und seinen drei Geschwistern geführt wird, hat seit seiner Gründung 1898 auch schwere Zeiten durchlebt und stand in den 1980er Jahren kurz vor der Pleite. Doch dann setzte eine neue Generation konsequent auf Qualität, und das hat sich ausgezahlt. Der Produzent, der zu den größten handwerklich arbeitenden Betrieben zählt, hat heute 42 Mitarbeiter und exportiert 40% seiner Produktion, vor allem nach Deutschland. Die besten Qualitäten lagern mehrere Jahre in Holzfässern in riesigen Kellern, direkt unter dem Produktionsgebäude, in dem der Tresterbrand in einer Destillationsanlage aus zwölf Kupferkesseln entsteht. Besucher können dem gesamten Produktionsprozess beiwohnen und anschließend Grappa verkosten und kaufen. Poli hat auch zwei Museen eingerichtet: Eines direkt am Firmensitz, ein weiteres in der Nähe des Ponte Vecchio in Bassano del Grappa. Nach dem Lockdown sind die Touristen inzwischen auch hierher recht zahlreich zurückgekommen: An manchen Tagen wirkt es wie in Vor-Covid-Zeiten. Poli kommt auf einen Umsatz von 11 Mill. Euro und bietet neben diversen Grappe auch Gin, Liköre, Bitterliköre, Wermut- sowie Obstbrände an.

Die Zahl der Grappa-Produzenten in Italien ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen: Von mehr als 2000 Herstellern vor etwa hundert Jahren sind 130 übrig geblieben, davon etwa 25 in Venetien, viele von ihnen in und um Bassano. Bei Poli soll es weitergehen. Die fünfte Generation ist bereits geboren.

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