Brücke oder KrückeReformpolitik

Mehr Mühlsteine als Meilensteine

Die Politik setzt den Unternehmen gerne Ziele, die sie dann als Meilenstein hervorhebt. Bei politischen Großprojekten bleibt dagegen der Zeitplan meistens offen.

Mehr Mühlsteine als Meilensteine

Reformpolitik

Mehr Mühlsteine als Meilensteine

Wann immer hehre Ziele Gesetzeskraft erlangen, erklärt die Politik dies gern zum Meilenstein. Als solcher galt etwa das schwer errungene Verbrenner-Aus, das dafür sorgen soll, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge, also vorzugsweise Elektroautos, zugelassen werden. Auch das akribisch ausgearbeitete Lieferkettengesetz, das Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umweltschutz entlang ihrer Beschaffungskette verpflichtet, verdiente aus Sicht seiner Schöpfer ein solches Etikett. Und der AI Act galt gar als besonderer Meilenstein, weil die Politik sich dabei zugute hielt, dass sie frühzeitig und entschlossen Etappenziele gesetzt hat, um eine komplexe Zukunftstechnologie in einen möglichst fest gezimmerten Regulierungsrahmen einzufügen.

Allerdings, sollte die Wirtschaft die genannten Errungenschaften mit einem Etikett versehen, würde die Wahl gerade bei diesen dreien wohl eher auf „Mühlstein“ fallen. Und das nicht zu unrecht. Denn das Verbrenner-Aus reguliert das Angebot ohne Rücksicht auf die Nachfrage, die gesamte Lieferkette erweist sich als selbst für Konzerne mit großen Ressourcen in der geforderten Dimension kaum zu überblicken. Und der AI Act regelt den Umgang mit KI-Anwendungen, die es teilweise noch gar nicht gibt und ist daher geeignet, Innovation vielfach im Keim zu ersticken.

Ganz viel Zeit – aber kein Zeitplan

Während die Politik gern umstrittene Deadlines für die Wirtschaft setzt, ist es damit bei ihr selbst nicht weit her. Das gilt sowohl für die Umsetzung großer Reformprojekte im eigenen Land als auch den Integrationsfortschritt in der EU. Trauriges Beispiel hierzulande ist die Reform der Sozialsysteme. Das drängendste Problem, ein finanziell tragfähiges Rentenkonzept, liegt in den Händen einer Kommission, die aber erst Anfang 2027 ihre Ergebnisse präsentieren soll. Bis dann die Etappenziele für eine schrittweise Umsetzung feststehen, dürften noch viele Monate vergehen. Bei der seit zehn Jahren diskutierten Kapitalmarktunion der EU sind Meilensteine ebenfalls schwer erkennbar. Auch hier fehlt in der Politik die Bereitschaft, einen verbindlichen Zeitplan – etwa für zentrale Elemente wie eine gemeinsame Einlagensicherung – vorzusehen, um endlich voran zu kommen.

Statt ständig die Wirtschaft unter Druck zu setzen, wäre es also mal an der Zeit, dass die Politik sich als Vorbild begreift und selbst konkrete Ziele setzt. Das wäre mal ein Meilenstein.

Von Heidi Rohde