KommentarBilanzkontrolle der BaFin

Nächster Nackenschlag für Gerresheimer

Mit der Einleitung einer Bilanzprüfung hat die BaFin Gerresheimer den nächsten Nackenschlag versetzt. Der Aktienkurs stürzte in neue Tiefen. Die Causa könnte sich aber als Sturm im Wasserglas entpuppen.

Nächster Nackenschlag für Gerresheimer

Gerresheimer

Der nächste Nackenschlag

Von Annette Becker

Als hätte Gerresheimer nicht schon genügend Probleme am Hals, kommt nun auch noch eine Bilanzprüfung der Finanzaufsicht BaFin hinzu. Deren Wirtschaftsprüfer gehen dem Verdacht des Verstoßes gegen Rechnungslegungsvorschriften – umgangssprachlich: Bilanzfälschung – nach. Die Reaktion am Aktienmarkt ließ nicht lange auf sich warten: Binnen Minuten rauschte der Kurs um fast 40% in die Tiefe.

Doch das, was Erinnerungen an Fälle wie Wirecard wachruft, dürfte sich als Sturm im Wasserglas entpuppen. Die BaFin geht dem Verdacht nach, Gerresheimer habe Umsätze verbucht, die noch nicht als solche realisiert waren. Es geht um Kundenverträge, die auf einer Bill-and-Hold-Vereinbarung fußen. Bei diesen Verträgen stellt das Unternehmen dem Kunden auf dessen Wunsch eine Rechnung aus, liefert die Ware aber erst, wenn der Kunde sie abruft.

Überzogene Kursreaktion

Dieses Vorgehen stellt der Spezialverpackungshersteller für die Pharma und Kosmetikindustrie auch gar nicht in Abrede. Vielmehr sei man der Auffassung, die Erlöse im Einklang mit den geltenden IFRS-Rechnungslegungsvorschriften periodengerecht erfasst zu haben. Für Klärung des Sachverhalts wird nun die bei der BaFin angesiedelte „Bilanzpolizei“ sorgen. Die fraglichen Umsätze belaufen sich allerdings nur auf einen verschwindend geringen Umsatzanteil. Gerresheimer spricht von einem maximal niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Demgegenüber beläuft sich der Konzernumsatz auf 2 Mrd. Euro.

Die drastische Kursreaktion dürfte also weit überzogen sein. Sie ist aber auch Ausdruck für den massiven Vertrauensverlust, den sich das Unternehmen seit einem Jahr „erarbeitet“ hat. Neben Gewinnwarnungen und im Sande verlaufenen Gesprächen mit Finanzinvestoren ignorierte das Management auch Forderungen der Investoren nach einem Kapitalmarkttag im Anschluss an die größte Akquisition der Firmengeschichte. Inzwischen haben sich einige Aktionärsaktivisten eingekauft, um ihr eigenes Spiel zu spielen. Ihnen mag der Kurssturz womöglich gar nicht ungelegen gekommen sein. So lässt sich die eigene Position günstig ausbauen.