LeitartikelOracle

Samurai Ellisons fabelhafte Fantasiegeschichte

Mit einer KI-Auftragswelle steigt die Oracle-Aktie in neue Sphären. Wie der Samurai-Philosoph Musashi rät, inszeniert Chairman Larry Ellison die KI-Schlacht als große Geschichte – doch die Story hat Lücken.

Samurai Ellisons fabelhafte Fantasiegeschichte

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Samurai Ellisons fabelhafte Fantasie

Mit einer KI-Auftragswelle steigt die Oracle-Aktie in neue Sphären. Wie der Samurai-Philosoph Musashi rät, setzt Chairman Larry Ellison in der KI-Schlacht auf eigene Stärken – doch die Story hat Lücken.

Vom Sebastian Schmid

Oracle-Gründer Larry Ellison besitzt bereits zwei Super-Yachten. Nach der jüngsten Kurs-Explosion seines IT-Konzerns könnte er versucht sein, sich eine Dritte zu leisten. Der temporär reichste Mann der Welt kommt auf ein Vermögen von mehreren hundert Milliarden Dollar. Selbst die Finanzierung der teuersten Yacht wäre für ihn derzeit wohl ein Leichtes: Die „Eclipse“ soll Roman Abramowitsch rund eine halbe Milliarde Dollar gekostet haben. Ellisons erste Yacht „Rising Sun“, die er später an David Geffen veräußerte, war nur etwa ein Drittel so teuer. Seine zweite Yacht nannte er „Musashi“ nach einem japanischen Samurai-Krieger und Philosophen. Dass Ellison ein neues Boot kaufen könnte, ist zwar reine Spekulation. Dass es einen Bezug zum fernen Osten haben dürfte, scheint daher aber sicher.

SAP war früher dran

Musashis Lehren erfreuen sich bei Managern ohnehin einer gewissen Beliebtheit, weil sich dessen Ratschläge vom Schlachtfeld sehr einfach auf die Schlacht um Marktanteile übertragen lassen. Kenne die Schwächen deiner Gegner und nutze gezielt deine Stärken, ist eine Maxime, die sich aus Miyamoto Musashis bekanntestem Buch „Gorin no Sho“ ableiten lässt. Ein Ansatz, den auch Oracles Wettbewerber SAP verinnerlicht hat. Europas größter Softwarekonzern ist früh auf den KI-Zug aufgesprungen und galt mit Erweiterungen der hauseigenen Applikationen schnell als einer der Gewinner des Booms. In gewisser Weise hat der Walldorfer Softwarekonzern hier aber auch davon profitiert, dass die Flut alle Boote hebt. Mittlerweile ist die Euphorie etwas abgeebbt.

Oracle hat sich hingegen spät auf das weitaus größere Geschäft mit KI-Infrastruktur gestürzt. Die jüngste Zwischenbilanz scheint dem US-Konzern recht zu geben. Eine regelrechte Auftragswelle überschwemmt die Amerikaner, so dass sich die Frage stellt, wie sie das mit fast einer halben Billion Dollar gefüllte Auftragsbuch überhaupt abarbeiten wollen. Zudem bleibt die Frage, wie nachhaltig der „Tsunami“ – wie Ellison die KI-Transformation nennt – überhaupt ist. Eine echte Flutwelle zieht jedenfalls durch, lässt kaum einen Stein auf dem anderen und am Ende alle ärmer zurück. Oracles Tsunami kommt zudem von einer einzelnen Firma. Der ChatGPT-Entwickler OpenAI hat einen Fünfjahres-Deal über 300 Mrd. Dollar unterzeichnet. Für Ellison mag das eine Summe sein, die er privat schon stemmen könnte. Für das KI-Unternehmen, das mit Anteilseigner Microsoft über Kreuz liegen soll, stellt sie einen fetten Scheck dar, der erst noch gedeckt werden muss. Dafür, dass der Traum vom Riesenumsatz mit dem Start-up eine Weile weitergeträumt werden kann, dürfte Ellison gesorgt haben. Das Gros der Erlöse soll wohl hintenraus anfallen. So prognostiziert OpenAI seinen Cash Burn für 2026 auf 17 Mrd. Dollar, gefolgt von 35 Mrd. Dollar 2027 und 45 Mrd. Dollar 2028. Gut möglich, dass die noch recht frischen Zahlen nach dem Oracle-Deal einer Revision bedürfen. In jedem Fall aber werden in den ersten Jahren kleinere Summen anfallen.

Eine Geschichte für Jahre

Für Ellison ist das kein Problem. Im Gegenteil. So kann er seine fabelhafte Fantasiegeschichte noch über Jahre ausschmücken. Schließlich steht ihrem Eintreten als mögliches Hindernis nicht nur Mittelknappheit bei OpenAI im Weg. Angesichts derzeitiger Tech-Bewertungen sollte das Mega-Startup ohnehin problemlos an weitere Gelder kommen. Die Herausforderung liegt vor allem darin, selbst beim Aufbau der Rechenzentren-Infrastruktur liefern zu können. Immerhin machte das Cloud-Infrastruktur-Geschäft der Amerikaner zuletzt gerade mal einen Jahresumsatz von 10 Mrd. Dollar aus. Bis 2029 sollen das schon 60 Mrd. Dollar sein – mehr als die Hälfte der Konzernerlöse.

Es wäre eine wundersame Geschichte, wenn sie aufgeht. Der Konzern hat erst 2023 fast ein Jahrzehnt geringen Wachstums und Stagnation hinter sich gelassen. Aber vielleicht geht es den Investoren derzeit auch gar nicht darum, ob eine Story glaubhaft ist. Hauptsache, sie regt die Fantasie an. Und das ist wohl die größten Gemeinsamkeiten zwischen Ellison und seinem Idol Musashi: Sie sind große Geschichtenerzähler.