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Personalberatungsmarkt sortiert sich neu

Die Konjunktur schwächelt, und mit ihr das Geschäft der Personalvermittler. Der Konsolidierungsdruck steigt. Doch Transaktionen erfordern Fingerspitzengefühl.

Personalberatungsmarkt sortiert sich neu

Personalberatungsmarkt sortiert sich neu

Die Konjunktur schwächelt, und mit ihr das Geschäft der Personalvermittler. Der Konsolidierungsdruck steigt. Doch Transaktionen erfordern Fingerspitzengefühl.

Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Als die größten Einschränkungen der Corona-Pandemie überwunden waren, die Belegschaft von der Jogginghose zurück in die Chino wechselte und die Unternehmen von Kurzarbeit auf Expansionsmodus umschalteten, da brach für die Personalberater eine Phase an, die manche rückblickend als „goldene Jahre“ betiteln. Doch der Aufschwung ist schon wieder beendet. „Die Staffing-Branche hängt an der konjunkturellen Entwicklung“, erklärt Thomas André Sola, Vorsitzender des Branchenverbands für Staffing-Unternehmen APSCo Deutschland und CEO der Transaktionsberatung Hucai. Ein schwaches Konjunkturumfeld bedeute für die Branche stets schwierige Geschäfte.

Boutiquen spüren Rückgang

Das spüren insbesondere kleinere Personalberatungen. Laut Daten des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen (BDU), in dem viele kleine und mittelständische Consulting-Häuser organisiert sind, mussten die Personalberatungen 2024 im Schnitt Umsatzrückgänge von 3,8% hinnehmen. Besonders hart traf es kleine Boutiquen mit bis zu 250.000 Euro Umsatz, die mehr als 8% Rückgang verzeichneten. Das reicht auf Dauer nicht für alle, um eigenständig zu bestehen. „Wir sind zu 100% in einer Konsolidierungsphase“, sagt Sola.

Auch die kumulierten Umsätze der 25 nach Inlandsumsatz größten Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland gingen dem Research-Haus Lünendonk & Hossenfelder zufolge um 6,5% auf 10,2 Mrd. Euro zurück. Dabei sind kleine Häuser für den deutschen Markt prägend. Der BDU erfasste für 2024 in Deutschland 2.175 aktive Personalberatungen, von denen 80% weniger als 2,5 Mill. Euro Jahresumsatz erzielten.

Ein Grund für diese Kleinteiligkeit sind die niedrigen Eintrittshürden, etwa in der Personalvermittlung. „Wer in der Schweiz Direktvermittlung anbieten möchte, benötigt eine Bewilligung und muss mit hohen Kosten rechnen“, berichtet Philipp Riedel, Geschäftsführer von Yer Deutschland. Hierzulande gibt es diese Hürde nicht. Daher seien viele Boutiquen und Soloselbstständige am Markt.

Wir schauen nach Verstärkungen im Umsatzbereich von 10 bis 25 Mill. Euro.

Philipp Riedel, Yer Deutschland

Yer Deutschland ist 2024 selbst aus einer M&A-Transaktion hervorgegangen, Riedels vorheriger Arbeitgeber Avantgarde Experts wurde in die niederländische Yer Group integriert. Seit Juni firmiert das Deutschlandgeschäft unter der Dachmarke der Mutter und will als aktiver Konsolidierer mitspielen. Yer erzielt hierzulande 120 Mill. Euro Umsatz. „Wir schauen nach Verstärkungen im Umsatzbereich von 10 bis 25 Mill. Euro“, sagt Riedel. Bis zu drei Zukäufe kann er sich pro Jahr in Deutschland vorstellen. Die wirklich interessanten Ziele stünden allerdings nicht im Schaufenster. „Wir müssen aktiv Targets ansprechen“, berichtet der CEO. Wichtig sei Fingerspitzengefühl – denn der eigentliche Werttreiber sind die Beschäftigten. „Man muss Inhabern und Teams eine Perspektive in der größeren Einheit aufzeigen können.“

Andere Preisvorstellungen

Mindestens ein Unternehmen will Yer Deutschland in diesem Jahr noch erwerben. Preislich sieht Riedel Multiples vorwiegend im einstelligen Bereich. Das Blue-Collar-Geschäft, das auf die Vermittlung von Facharbeitern zielt, erziele Bewertungen vom drei- bis fünffachen Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). In der Besetzung von Führungspositionen lägen die Multiples oft bei 6x Ebitda und höher, zweistellige Bewertungsfaktoren seien jedoch die Ausnahme. „Da haben manche Verkäufer noch falsche Vorstellungen.“

Neben Zusammenschlüssen dürften auch Marktaustritte und Insolvenzen zur Konsolidierung beitragen. Gerade bei Personalberatern, die in der Arbeitnehmerüberlassung tätig sind, steigt in der Konjunkturflaute das Risiko von Liquiditätsengpässen. Denn die Beratungshäuser stellen den Kunden zwar die vereinbarten Arbeitskräfte, sind aber selbst dafür verantwortlich, dass diese pünktlich ihr Gehalt beziehen. Wenn ein großer Kunde sein Zahlungsziel reißt, muss das Staffing-Unternehmen die Gehälter dennoch weiterfinanzieren – das reißt schnell große Löcher in die Liquiditätsplanung.

Die Tempton Group aus Essen ist seit 2019 schon intensiv auf Einkaufstour. „Seit Anfang 2024 haben wir mehr als 30 Firmen übernommen“, sagt Oliver Hecker, Geschäftsführender Gesellschafter. Mit 411 Mill. Euro Umsatz zählt Tempton zu den zehn umsatzstärksten deutschen Personaldienstleistern. Das Beratungshaus kauft vorwiegend Boutiquen und kleinere Anbieter auf, wie 2023 Preussen Personal mit damals knapp 7 Mill. Euro Umsatz. Oft kauft Tempton aus der Insolvenz heraus. Nachteilige Verträge, beispielsweise Mietverträge für Bürostandorte, müssen dann nicht übernommen werden. „Die Beschäftigten integrieren wir dann sehr schnell in unsere Strukturen“, erklärt Hecker. Die Zahl möglicher M&A-Ziele im Restrukturierungsumfeld habe in den vergangenen Monaten „massiv“ zugenommen.

Private Equity hält sich zurück

Bei M&A-Transaktionen in anderen Consulting-Feldern mischt auch Private Equity fleißig mit: Unter PR- und Strategieberatern sind die Finanzinvestoren vertreten, ebenso bei Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern. „Im Aufschwung nach der Corona-Pandemie war Private Equity auch bei Personalberatungen stark unterwegs, da hat man regelmäßig von Anfragen gehört“, sagt APSCo-Vorsitzender Sola. Doch in der jüngsten Marktflaute habe das Interesse nachgelassen. „Die Investoren sehen jetzt die schwindenden Profite, das gefällt ihnen weniger.“

Thomas André Sola ist Vorsitzender des Branchenverbands APSCo Deutschland.
Thomas André Sola ist Vorsitzender des Branchenverbands APSCo Deutschland.
APSCo Deutschland

Eines der Private-Equity-Engagements liegt beim Finanzinvestor Orlando, der bereits seit 2020 an dem Recruiting-Unternehmen Westhouse beteiligt ist. Der Finanzinvestor Bain ist 2022 mehrheitlich bei dem HR-Dienstleister House of HR mit Hauptsitz in Belgien eingestiegen, mit 927 Mill. Euro Umsatz in Deutschland hierzulande die Nummer 3. House of HR ist auch am M&A-Markt unterwegs, 2023 übernahm der Personaldienstleister den Hamburger Wettbewerber Pluss Personalmanagement.

Die operative Marge bei den meisten Personalberatern liege im Moment zwischen 2% und 5%, sagt Yer-Deutschland-Geschäftsführer Riedel. „Private Equity zielt oft auf margenstärkere Branchen.“

Das einzige Asset ist das Personal.

Oliver Hecker, Tempton Group

Bei Transaktionen im Personalbereich muss neben den Zahlen auch das Zwischenmenschliche passen. „Das einzige Asset ist das Personal. Wer mit Kostensynergien arbeitet, steht schnell ohne die Schlüsselpersonen da“, sagt Tempton-Geschäftsführer Hecker. Tempton lag von 2007 bis 2014 selbst im Portfolio des Finanzinvestors Odewald, 2017 sanierte Tempton sich über ein Schutzschirmverfahren. Heute steht das Family Office Tischendorf hinter dem Unternehmen, das Hecker zufolge etwa 20 Übernahmen im Jahr macht. „Es war eine bewusste Entscheidung, mit gut gefüllten Kassen in die Abschwung-Phase zu gehen, um M&A-Opportunitäten nutzen zu können“, sagt er. Der Track Record der vergangenen Monate bringe den Vorteil, dass sich potenzielle Übernahmeziele mittlerweile schon selbst melden.

Tempton ist in einer deutlich kleineren Umsatzgrößenordnung unterwegs als die ausländischen Wettbewerber wie Yer, die ihre Präsenz mit mittelgroßen Deals ausbauen. Doch gerade im Smallcap-Bereich wächst der Druck, beobachtet Hecker: „Andere werden mehr und mehr versuchen, unsere Strategie zu kopieren.“