Private Markets droht das böse Ende eines Booms
Private Markets droht das böse Ende eines Booms
Im Blickfeld
Private Markets droht
das böse Ende
eines Booms
Private Credit soll sämtliche Finanzierungsprojekte übernehmen, die der öffentliche Kapitalmarkt nicht mehr stemmen kann. Doch die systemischen Risiken durch intransparente Debt-Strukturen weiten sich aus – und auf den Markt rollt eine unterschätzte neue Gefahr zu.
Von Alex Wehnert, New York
Die Summen sind selbst für viele erfahrene Wall-Street-Manager atemberaubend. J.P. Morgan rechnet damit, dass in den kommenden fünf Jahren mehr als 5 Bill. Dollar in den Ausbau der globalen Rechenzentren-Infrastruktur fließen werden, die den Boom um künstliche Intelligenz antreibt. Doch Technologie-Unternehmen und ihre Partner können nur einen Teil dessen aus den eigenen Cashflows stemmen – und auch der Anleihemarkt ist nach Ansicht von Amerikas führender Großbank nicht aufnahmefähig genug, um den gesamten Finanzierungsbedarf zu stemmen. Damit rückt einmal mehr eine Assetklasse in den Fokus, deren Risiken zuletzt verstärkt zutage getreten sind: Private-Credit-Fonds könnten laut Morgan Stanley allein in den kommenden drei Jahren mehr als die Hälfte der benötigten Mittel im Volumen von bis dahin 1,5 Bill. Dollar bereitstellen.
Milliarden-Deal für Meta Platforms
Schon jetzt häufen sich die hoch voluminösen Einzel-Deals unter Beteiligung von Private-Credit-Managern: Im Oktober verkündete Blue Owl Capital beispielsweise, gemeinsam mit Meta Platforms 27 Mrd. Dollar für den Bau eines massiven neuen Rechenzentrums in Louisiana eingesammelt zu haben, das unter dem Projektnamen Hyperion läuft. Meta hält dabei einen Anteil von 20%, die Dealstruktur hält der Facebook-Mutter die verbundenen Schulden von der Bilanz und die Investitionsausgaben aus dem Cashflow-Statement heraus. Neben solchen Deals sollen klassische Private-Equity-Buyouts wie die 38 Mrd. Dollar schwere Übernahme des Versorgers AES durch die Blackrock-Tochter Global Infrastructure Partners den Ausbau der Rechenzentren-Kapazitäten und der Energienetze, an denen diese hängen, unterstützen.

picture alliance / ZUMAPRESS.com | Mark Hertzberg
Hinzu kommen durch Vermögenswerte besicherte Kreditkonstrukte. Laut Morgan Stanley dürften Asset-Backed Securities, in denen Immobilienkredite und Schuldpapiere auf Basis ausstehender Pachtzahlungen gebündelt werden, ebenfalls zum entscheidenden Finanzierungsinstrument für den KI-Boom werden. Zwar entfallen bisher lediglich 5% des 1,6 Bill. Dollar schweren amerikanischen ABS-Marktes auf digitale Infrastruktur, doch wie Bank of America betont, hat sich das Volumen in den vergangenen fünf Jahren bereits mehr als verachtfacht.
Systemische Risiken
Die Entwicklung bei künstlicher Intelligenz steht dabei stellvertretend für die massiv gewachsene Bedeutung alternativer, schwach regulierter und für weite Teile der Investoren intransparenter Finanzierungskonstrukte an den globalen Märkten. Die Entwicklung weckt bei Ökonomen Sorgen um die Finanzstabilität. So betont auch Josh Lerner, Professor für Investment Banking an der Harvard Business School, gegenüber der Börsen-Zeitung die systemischen Risiken.
Die Finanzkrise 2008 und die anschließende, teils als überhart kritisierte Regulierung der Banken hätten zu großen Verschiebungen geführt. „Die Banken wurden durch Basel III und andere Regulierungen gezwungen, risikobehaftete Kredite abzubauen“, sagt der Harvard-Professor. „Das öffnete den Weg für Private-Credit-Fonds, die diese Lücke füllten.“
Drohende Fehlentscheidungen
Das jahrelange Niedrigzinsumfeld vor 2022 hätten den Drang der Investoren in alternative Anlagen noch begünstigt. „In einem Umfeld niedriger Zinsen erscheinen Private-Credit-Investitionen attraktiv“, sagt Lerner. Zentrales Problem von Private Credit sei und bleibe aber die mangelnde Transparenz. „Die Bewertung von Krediten erfolgt oft auf Basis interner Modelle, die schwierig nachvollziehbar sind“, sagt Lerner. „Das kann zu einer verzerrten Risikowahrnehmung und Fehlentscheidungen bei Investoren führen.“
Hinzu kommt, dass viele Private-Credit-Fonds in Unternehmen investieren, deren Finanzdaten unvollständig oder schwer verständlich sind. „Die Due-Diligence-Prozesse sind oft unzureichend“, führt Lerner aus. „Das erhöht das Risiko von Kreditausfällen und kann die Stabilität des gesamten Marktes gefährden.“
Überangebot an Kapital
Wie Philippe Faget, Head of Private Assets bei der Natixis-Tochter Vega Investment Solutions, betont, ist auch das noch nicht investierte Kapital – das sogenannte Dry Powder – ebenfalls angeschwollen. Laut den jüngsten Zahlen von Preqin liegt das Volumen bei über 500 Mrd. Dollar, gegenüber etwa 180 Mrd. Dollar im Jahr 2014. „Dieses Überangebot an Kapital schafft erheblichen Druck, Mittel zu investieren, und erhöht das Angebot auf dem Markt deutlich“, sagt Faget.

Vega
Infolgedessen habe sich die Verhandlungsmacht in Richtung der Kreditnehmer verschoben. „In einem solchen Umfeld haben Unternehmen viele Finanzierungsalternativen – über Banken, syndizierte Kredite oder Private-Debt-Fonds”, führt Faget aus. Dadurch hätten sich die Covenants – also Verpflichtungen des Schuldners, die den Schutz des Kreditgebers stärken – abgeschwächt. Bei größeren Kreditnehmern mit einem Ebitda von über 50 Mill. Dollar seien inzwischen „rund die Hälfte der neuen Kredite Covenant-Lite, weniger als ein Drittel enthält mehr als eine Finanzkennzahl als Auflage“.
Da Private-Debt-Fonds weniger streng reguliert seien als Banken, könnten „einige Ausfälle den Markt überraschen – insbesondere, weil nicht alle Fonds ihre Bestände regelmäßig zum Marktwert bilanzieren“. Wiewohl Faget betont, dass Private Credit inzwischen einen zentralen Bestandteil der Unternehmensfinanzierung darstelle, seien Diversifikation, eine gründlichere Kreditanalyse und bessere Besicherungen notwendig, um Gefahren abzufedern. Wenn sich die Kreditqualität verschlechtere, könne die Intransparenz der Bewertungen die Marktreaktion sonst noch verstärken.
Fülle von Finanzdienstleistern betroffen
Einige Marktteilnehmer versuchen die Furcht vor gewachsenen Risiken im Markt indes zu dämpfen. Tom Stack, Senior Investment Director Credit Investments bei Cambridge Associates sieht die jüngsten, viel beachteten Insolvenzen des Autoteile-Konglomerats First Brands Group und des Autokredit-Anbieters Tricolor nicht als Anzeichen für systemische Probleme bei privaten Krediten. Bei beiden Zusammenbrüchen handele es sich um „Sonderfälle, die eher auf Betrug und individuelle Geschäftspraktiken als auf eine allgemeine Marktschwäche zurückzuführen sind“. Die Fundamentaldaten für Private Credit seien weiterhin solide, und es gebe keine Anzeichen für eine allgemeine Verschlechterung der Kreditqualität.

picture alliance / REUTERS | Brian Snyder
Andere Beobachter bezeichnen solche Ansichten angesichts der Fülle der Finanzdienstleister, die gerade von der First-Brands-Pleite betroffen sind, als gefährlich naiv. So besaßen die Investmentbank Jefferies, große Vermögensverwalter und internationale Banken um die UBS kombiniert ein milliardenschweres Exposure. Und tatsächlich haben Kreditgeber die von Faget angesprochenen Covenants zuletzt aus Furcht vor weiteren Verwerfungen wieder gestrafft.
Einheitlicher Standard fehlt
Das Problem: Die Verschlechterung der Assetqualität ist für den Großteil der Marktteilnehmer nur schwierig nachvollziehbar. Denn Ratingagenturen, die eine wichtige Rolle bei der Bewertung von Kreditrisiken spielen, reagieren bisher nur zögerlich. „Es gibt noch keine einheitlichen Standards für die Bewertung von Private-Credit-Investitionen“, sagt Harvard-Professor Lerner. „Das erschwert eine objektive Einschätzung der Risiken.“
Angesichts der wachsenden Bedeutung von Private Credit stellt sich Marktteilnehmern die Frage nach einer angemessenen Regulierung. Die USA bauen allerdings Schranken für Investitionen in das Segment ab: US-Präsident Donald Trump hat mit einem Anfang August unterzeichneten Exekutivbeschluss die Voraussetzung für die Aufnahme privater Assets und illiquider Vermögenswerte in sogenannte „401(k) Plans“ geschaffen.
Mittel aus den insgesamt rund 9 Bill. Dollar schweren Altersvorsorgeplänen, über die Amerikaner Teile ihres Gehalts mit Arbeitgeberzulage investieren können, fließen bisher überwiegend in klassische Investmentfonds. Und auch in Europa versuchen Private-Credit-Manager zunehmend Mittel von Privatanlegern einzuwerben – einige Stimmen an der Wall Street beklagen bereits eine „Milchmädchenhausse“, wie sie am Ende der Goldenen Zwanziger des vergangenen Jahrhunderts aufgetreten sei.
Gewaltige Refinanzierungswelle
Zumindest aber, warnt die Chicagoer Investmentfirma Adams Street, droht der Zustrom von Individualinvestoren auf den Returns für institutionelle Bestandskunden zu belasten. Zugleich rollen neue Herausforderungen heran: „Der Markt steht vor einer massiven Maturity Wall“, warnt Vega-Manager Faget. In Europa würden in den nächsten 18 Monaten rund 9% der Private-Debt-Instrumente fällig, der Hochpunkt sei 2029 zu erwarten. In den Vereinigten Staaten falle der größte Teil der Fälligkeiten zwischen 2026 und 2029 an – im Durchschnitt etwa 165 Mrd. Dollar pro Jahr.
Die Bedingungen, unter denen diese Kredite refinanziert werden können, seien entscheidend für die Widerstandsfähigkeit der Anlageklasse. „Es wird sehr interessant zu beobachten sein, wie sich Spreads und Covenants entwickeln, wenn diese Fälligkeitswelle näher rückt“, sagt Faget. Dies gilt laut anderen Marktteilnehmern insbesondere angesichts des billionenschweren Finanzierungsbedarfs, der zugleich für neue KI-Projekte ansteht.
