Notiert inWashington

Rätselraten um die Gesundheit des US-Präsidenten

Zwar behauptet sein Leibarzt, dass US-Präsident Donald Trump topfit sei. Dennoch wachsen die Zweifel an dem wahren Gesundheitszustand des fast 80-Jährigen.

Rätselraten um die Gesundheit des US-Präsidenten

Notiert in Washington

Trumps Gesundheit gibt Rätsel auf

Von Peter De Thier

Während Donald Trumps erster Amtszeit als US-Präsident hatte sein Leibarzt Ronny Jackson für Schlagzeilen gesorgt, als er meinte, dass sein Patient nicht nur „der gesündeste Präsident in der Geschichte“ sei. Nach seinem „Physical“, der jährlichen Gesundheitsüberprüfung, bescheinigte Jackson Trump geradezu übermenschliche Qualitäten. Demnach „könnte der Präsident 200 Jahre alt werden“, wenn er sich gut ernährt und physisch etwa intensiver betätigt. 

Trump war von den „Ergebnissen“ der Untersuchung so begeistert, dass er Jackson prompt mit der Nominierung zu einem Kabinettsposten belohnte. Die Kandidatur zum Minister für Kriegsveteranen scheiterte an einem Skandal um den Mediziner und Konteradmiral in der US-Marine. Er soll auf Dienstreisen zu viel getrunken und Kolleginnen in deren Hotelzimmer belästigt haben. Gleichwohl vertritt er heute Amarillo, Texas im US-Repräsentantenhaus und hält mit seinem medizinischen „Fachurteil“ nicht hinterm Berge. Denn Jackson legte unlängst nach und meinte, dass Trump sogar „der gesündeste Mensch in der amerikanischen Geschichte“ sei. Das hat unabhängigen Beobachtern Zweifel und Spott entlockt.

Forderung nach mehr Transparenz

Doch zwischenzeitlich sind nicht nur die Sorgen um die Gesundheit des Präsidenten gewachsen. Auch werden in Washington Rufe laut nach mehr Transparenz um den Gesundheitszustand des mächtigsten Mannes im Lande. Grund dafür sind mehrere MRT-Aufnahmen, die Trump nur ganz beiläufig erwähnte, zuletzt gegenüber Reportern im Flugzeug auf dem Weg nach Asien.

Sorgen bereiteten auch Bilder von Trumps geschwollenen Unterschenkeln und Blutergüssen auf der Hand, die zahlreiche Ursachen haben könnten. Zudem häufen sich bei Auftritten die unverständlichen, akustisch schwer nachvollziehbaren Versprecher, die dem Präsidenten offenbar nicht bewusst sind. Rätsel gab der Öffentlichkeit schließlich die Reaktion des Präsidenten auf einen Vorfall im Oval Office des Weißen Hauses auf. 

Peinlicher Zwischenfall

Bei einer Pressekonferenz verkündete Trump vergangene Woche einen Deal mit der Pharmaindustrie. Die Unternehmen verpflichteten sich zu Preissenkungen für Endverbraucher. Plötzlich fiel ein Manager des dänischen Arzneimittelherstellers Novo Nordisk in Ohnmacht. Die meisten Anwesenden kümmerten sich prompt um den ohnmächtigen Gast. Ausgerechnet Gesundheitsminister Robert F. Kennedy machte sich aber aus dem Staub. Und was tat der Präsident? Trump wandte sich von seinem angeschlagenen Gast komplett ab.     

Augenzeugen berichteten, er sei praktisch regungslos gewesen. Trump habe so gewirkt, als sei er „eingefroren“. Dabei gehen die Meinungen über die Ursachen auseinander. Kritiker glauben, dass dem narzisstischen „Showman“ Trump schlichtweg die Optik peinlich gewesen sei. Mediziner vermuten hingegen, dass seine Reaktion auf ein neurologisches Leiden hindeuten könnte.

Mythos des „gesündesten Präsidenten“

Prompt stellten sie eine Verbindung her zu Trumps jüngsten Aufenthalt im Walter-Reed-Militärkrankenhaus. Dort verweilte er nämlich für eine angeblich simple MRT-Aufnahme über sechs Stunden. Verdächtig wirkte dann auch die Reaktion von Regierungssprecherin Karoline Leavitt. Reporterfragen, warum der Präsident so lange im Hospital blieb, schüttelte sie ungehalten und sichtlich irritiert ab.

Unterdessen will das Weiße Haus offenbar an dem Mythos festhalten, wonach Trump „der Gesündeste“ aller Amerikaner ist. Trotz der McDonalds-lastigen Ernährung und des Mangels an körperlicher Betätigung. Denn sein amtierender Leibarzt Sean Barbabella ist nicht nur zu dem Schluss gelangt, dass der Zustand des 79-Jährigen stabil sei. Laut Barbabella sei der Präsident eher noch gesünder als vor 8 Jahren. Zwar habe eine Kolonoskopie einen Polypen entdeckt, der aber problemlos beseitigt werden konnte. Auch habe Trump als Folge des Attentats im vergangenen Juli eine kaum sichtbare Narbe am rechten Ohr.

Geheimnistuerische Präsidenten

Unterm Strich sei aber alles bestens, versicherte Barbabella. Blutdruck und Cholesterinwerte würden sich in einer „optimalen Bandbreite“ bewegen. Besonders eindrucksvoll: Verglichen mit seiner ersten Amtszeit ist Trump offenbar sogar leichter. Bei einer Körperlänge von knapp 1,91 Meter bringt er angeblich weniger als 101 Kilo auf die Waage, hieß es in dem Bericht.

Dabei ist die Geheimnistuerei bei Präsidenten gar nicht ungewöhnlich. Ähnlich soll es bei seinem unmittelbaren Vorgänger Joe Biden zugegangen sein. So waren Symptome eines langsamen geistigen Verfalls selbst für jeden Fernsehzuschauer deutlich sichtbar. Dennoch beharrte auch Bidens White House darauf, dass er kerngesund und ausnahmslos geistesgegenwärtig sei. Kaum anders verhielt es sich bei anderen Regierungschefs. Grover Cleveland, der 22. und dann 24. Präsident, hatte einen bösartigen Tumor im Mund. Diesen ließ er klammheimlich auf einer Yacht entfernen und versuchte, seinen Zustand gegenüber den Wählern zu vertuschen.

„Fake news“ schon im 19. Jahrhundert

Als ein Journalist darüber berichtete, verwarfen Clevelands Berater die Meldung als „fake news“. Ein Begriff, den es also offenbar schon im 19. Jahrhundert gab. Auch versuchte das Weiße Haus, die Folgen von Präsident Woodrow Wilsons Schlaganfall herunterzuspielen. Zudem unternahmen die Berater des 35. Präsidenten John F. Kennedy große Anstrengungen, um dessen massiven gesundheitliche Probleme zu verheimlichen. Dazu zählte insbesondere die Nebennierenerkrankung Addisons.

Jacob Appel, ein Psychiatrieprofessor am Mount Sinai Hospital, kritisiert die Geheimnistuerei. „Das ist dem öffentlichen Interesse alles andere als dienlich, vor allem dann, wenn nationale Sicherheitsinteressen gefährdet sein könnten“, sagt Appel. Zwar räumen er und andere Mediziner ein, dass ein Präsident rechtlich nicht verpflichtet ist, Einzelheiten preiszugeben. Doch wenn es tatsächlich keinen Grund zur Sorge gibt, dann sei es „besser, gar nichts zu sagen, als die Öffentlichkeit im Dunkeln tappen und spekulieren zu lassen“.