Rückkehr in die Realität
Rückkehr in die Realität
Ölmarktprognose
Rückkehr in
die Realität
Von Dieter Kuckelkorn
Die Prognose eines niedrigen Ölverbrauchs hemmt Investitionen und treibt so den Ölpreis an.
Die Internationale Energieagentur IEA hat aktuell eine bemerkenswerte Änderung ihrer langfristigen Prognose für die Entwicklung des Ölmarktes vorgenommen. Bislang vertrat sie die Ansicht, dass „Peak Oil“, also eine absolut höchste globale Nachfrage nach Rohöl, bereits in den 2030er Jahren erfolgen könnte. Danach würde der Ölverbrauch nachlassen, wurde erwartet. Mit dieser Meinung stand IEA zuletzt ziemlich alleine da, andere bedeutende Marktbeobachter waren von ähnlichen Erwartungen längst abgerückt. Dafür gibt es zwei sachliche Gründe. Zum einen hat sich die grüne Transformation der Weltwirtschaft als wesentlich teurer und schwieriger als erwartet herausgestellt. Es hat sich gezeigt, dass die Welt länger auf fossile Energieträger angewiesen ist als bisher gedacht und die unrealistische Erwartung eines absehbaren „Peak Oil“ trugen dazu bei, dass international zu wenig Mittel für Investitionen in fossile Energieträger zur Verfügung gestellt wurden. Dies führt über die Verknappung des Angebots zu einer Verteuerung von Öl und Gas und zu einer hohen finanziellen Belastung der Volkswirtschaften − mit der unangenehmen Folge, dass dann letztlich auch weniger Geld für die grüne Transformation der Weltwirtschaft zur Verfügung steht.
Fokus auf Handelskriegen
Zum anderen hat sich aber auch der Fokus der Regierungen in den Industrieländern vom Klimawandel hin zu Handelskriegen und geopolitischen bzw. geoökonomischen Konfrontationen hin gewandelt. Handelskriege, die sich oft auf Energiemärkte konzentrieren, führen zu hohen ökonomischen Belastungen, wie die EU hinsichtlich ihrer Gasversorgung leidvoll erfahren musste. Daher ist es aus Sicht der westlichen Industrieländer sinnvoll, die Energiepreise auf verträglichen Niveaus zu halten und die IEA wird letztlich von diesen Industrieländern finanziert. Letzteres dürfte dazu beigetragen haben, die IEA und ihre Prognosen in die Realität zurückzubringen. So hatte US-Energieminister Chris Wright zuletzt auch offen damit gedroht, die USA, die 14% zum Budget der IEA beitragen, könnten die Finanzierung der Agentur einstellen, wenn diese in ihren Langzeitprognosen weiterhin „totalen Unfug“ verbreite.
Druck auf Russland
Nach wie vor sagt die IEA aber kurzfristig eine ausgeprägte Überversorgung des Ölmarktes und damit einen niedrigen Ölpreis voraus, womit sie sich zumindest graduell von anderen Marktbeobachtern unterscheidet. Dies könnte aber durchaus im Interesse der US-Regierung liegen, die darauf abzielt, mit Blick auf den Fortgang des Ukraine-Kriegs die russischen Einnahmen aus den Ölverkäufen zu reduzieren.
