LeitartikelLebensversicherungen

Run-off vor dem Take-off

Der deutsche Run-off-Markt für Lebensversicherungen könnte bald aufleben, sobald die Übernahme von Viridium genehmigt worden ist. Das könnte zu einer Marktbereinigung führen.

Run-off vor dem Take-off

Lebensversicherung

Run-off vor dem Take-off

Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List

Der deutsche Markt für die Abwicklung von Lebensversicherungsbeständen (Run-off-Markt) ist seit Längerem erstarrt. Es gibt inzwischen aber berechtigte Hoffnung, dass in den Markt wieder Bewegung kommt. Denn der zentrale Grund für die Marktflaute dürfte bald entfallen. Bis zum Jahresende dürfte die Aufsicht die Übernahme von Viridium durch ein Konsortium um den japanischen Versicherer T&D Holdings, Blackrock und die Allianz genehmigen.

Zweifel an der Zuverlässigkeit

Das Verhalten des Verkäufers, des Finanzinvestors Cinven, bei einer Versicherungsschieflage in Italien ließ die BaFin an dessen Zuverlässigkeit zweifeln und Deals seit Anfang 2024 blockieren. An dieser Zuverlässigkeit dürfte es bei den neuen Viridium-Eigentümern nicht mangeln.

Damit wären wieder drei Gesellschaften am deutschen Run-off-Markt handlungsfähig: Viridium, Athora und Frankfurter Leben. Der sich aus dieser Konstellation entwickelnde Wettbewerb bei Preisen und Konditionen dürfte Versicherer und Pensionswerke veranlassen, wieder die Abgabe von Lebensversicherungsbeständen zu erwägen.

Der deutsche Markt ist ein besonderer

Der Bedarf ist vorhanden. Das liegt an der im internationalen Vergleich besonderen Natur der deutschen Lebensversicherung. Hier wird Kapital über Jahrzehnte angespart, das die Versicherer in dieser Zeit ertragbringend anlegen müssen, um sowohl den Kapitalerhalt als auch einen Mindestertrag garantieren zu können. Das mit der Kapitalanlage einhergehende Kapitalmarktrisiko belastet die Bilanz eines Versicherers und kann durch den Verkauf verlagert werden.

Die Run-off-Spezialisten nehmen für sich in Anspruch, dieses Kapitalmarktrisiko durch eine bessere Anlagestrategie verringern zu können. Zwar besteht auch bei ihnen der größte Teil der Kapitalanlage aus festverzinslichen Wertpapieren. Doch etwa ein Drittel wird so angelegt, dass für sehr langfristige Anlagen eine zusätzliche Illiquiditätsprämie eingenommen werden kann. Dafür eigenen sich insbesondere nicht-börsennotierte Anlagen auf Privatmärkten. Hier schreibt sich Athora mit ihrem Großaktionär Apollo große Expertise zu. So verfügt Apollo über eine der weltweit größten Plattformen für Private Credit, also nicht gehandelte Unternehmens- und Verbraucherkredite.

Illiquiditätsprämie als Riskoprämie

Die Frage ist, ob diese Illiquiditätsprämie nicht auch eine Risikoprämie ist. Privatmärkte sind intransparenter als streng regulierte Börsen. Allerdings greifen die Run-off-Versicherer fast nur auf „Investment Grade“-Kredite zu. Zu hoffen ist, dass die Ratingagenturen aus ihren Erfahrungen der letzten Finanzkrise gelernt haben, ihre Einschätzungen also zuverlässiger sind als damals.

Run-off soll sich aber auch in der Verwaltung auszahlen. Immerhin können sich die Spezialisten ganz darauf konzentrieren. Produktentwicklung, Vertrieb, Neukundenakquise, all das fällt ja weg. Die Kunst ist dabei, die Bestände zu einem akzeptablen Preis von den alten Verwaltungssystemen auf die neuen bei Viridium & Co zu transferieren – eine Herkulesaufgabe bei oftmals Dutzenden, wenn nicht Hunderten Tarifgenerationen.

Die Menge machts

Um wirklich effizient zu sein, müssen große Stückzahlen auf den Neusystemen verarbeitet werden. Da müssen sich gerade Athora und Frankfurter Leben, die deutlich kleiner sind als Viridium, noch ordentlich ins Zeug legen. Nach dem Vollzug der Übernahme könnte Viridium mit dem Rückhalt gerade der Allianz schnell neue Kunden gewinnen und die beiden Wettbewerber an die Wand drücken. Das gilt besonders für die Nummer 3 in Deutschland, Frankfurter Leben, deren Eigentümer, die chinesische Fosun, nur eingeschränkt für finanzielle Stärke und eine langfristig stabile Eigentümerschaft steht.

Athora hat europäische Töchter, die deutlich größer und ertragsstärker sind als Athora Deutschland. Sollte diese nicht in den kommenden Monaten deutlich an Größe gewinnen, droht das Aus – und langfristig ein Monopol durch Viridium.

Durch die neuen Eigentümer von Viridium dürfte der deutsche Run-off-Markt wieder in Schwung kommen. In der Folge könnte eine Marktbereinigung anstehen.