Ständige Vertretung streicht Altkanzlerfilet von der Karte
Ständige Vertretung streicht Altkanzlerfilet von der Karte
Ein „mea culpa“ ist nicht das Ding von Gerhard Schröder, wie viele Parteifreunde, Weggefährten und Beobachter des Altkanzlers wohl nicht erst seit seinem Interview mit der „New York Times“ vor wenigen Tagen wissen. Das Kultrestaurant „Ständige Vertretung“ will Schröder nun dennoch zum Umdenken über seine unverbrüchliche Loyalität zum russischen Präsidenten Wladimir Putin bewegen. Denn das beliebte Kölsch-Lokal, das 1997 am Schiffbauerdamm in unmittelbarer Nähe des damals neu entstandenen Berliner Regierungsviertels eröffnet wurde und seither im Politbetrieb ebenso beliebt ist wie bei Touristen und Einheimischen, will als Reaktion auf Schröders Aussagen rund um den Ukraine-Krieg nicht nur sämtliche Fotos des Altkanzlers aus der Speisekarte entfernen, sondern dem bekennenden Currywurst-Fan auch die Patenschaft für die hier als „Altkanzlerfilet“ firmierende Spezialität entziehen.
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Schröder habe sich trotz der russischen Invasion in der Ukraine nicht von Putin distanziert, begründet Jörn Brinkmann, Geschäftsführer der „Ständigen Vertretung“, auf Anfrage. Zuvor hatte das Informationsportal „The Pioneer“ von den Veränderungen auf der Speisekarte der „StäV“ berichtet. Ein Lokalverbot werde es nicht geben, und auch die Fotos mit Schröder im Lokal sollen hängen bleiben. „Sonst müssten wir hier gefühlt jede Woche Fotos von Politikern abhängen“, sagt Brinkmann. Hunderte Teller mit dem Aufdruck „Altkanzlerfilet“ werden vorerst weiter verwendet. Den Altkanzler am liebsten ganz loswerden würden dagegen viele ehemalige Parteifreunde. In der Parteizentrale im Willy-Brandt-Haus sind mehr als ein Dutzend Anträge auf einen Parteiausschluss eingegangen. SPD-Parteichefin Saskia Esken hat den Altkanzler aufgefordert, nach fast 60 Jahren SPD-Mitgliedschaft aus der Partei auszutreten. Politiker von FDP, Grünen und CDU sprachen sich zuletzt mit Nachdruck für Sanktionen gegen Schröder aus.
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Den Altkanzler lässt das bislang völlig kalt. Das Embargo der „Ständigen Vertretung“ wird Schröder, der die Türen des Kanzleramtes erstmals für Sterneköche öffnete, ebenfalls verschmerzen können. Denn auch mit Wladimir Putin speist Deutschlands oberster Lobbyist für russisches Gas am liebsten in gehobenem Ambiente. Als Putin 2010 auf Staatsbesuch in Berlin weilte, traf er sich am Vorabend des Treffens mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Altkanzler im „Café des Artistes“ in Berlin-Schöneberg. Bekocht wurden sie von Inhaber Stefan Warnig, Sohn des Putin-Vertrauten Matthias Warnig, der bis vor wenigen Wochen für Gazprom im Aufsichtsrat von Schalke 04 saß und als Geschäftsführer die Geschicke der Nord Stream 2 AG leitete. Stefan Warnig kocht heute im Restaurant des Freiburger Golfclubs Tuniberg und bietet auch eine Currywurst an. In der „StäV“ steht bis zu einem „mea culpa“ des Altkanzlers eine „Kult-Currywurst“ auf der Karte.
