Leitartikel:US-Banken

Steigende Abschreibungen als Warnsignal

Die führenden US-Finanzinstitute haben im Auftaktquartal hohe Abschreibungen auf Privatkundenkredite vornehmen müssen. Dies sollte Investoren als Warnsignal dienen.

Steigende Abschreibungen als Warnsignal

US-Banken

Gefahren aus allen Richtungen

Von Alex Wehnert

Investoren sollten die steigenden Abschreibungen der US-Großbanken auf faule Kredite als Warnsignal begreifen.

Die robuste Gewinnentwicklung der US-Großbanken im ersten Quartal sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Finanzsektor auch in den kommenden Monaten heftige Turbulenzen drohen. Denn die anhaltend hohe Inflation und die konjunkturelle Unsicherheit bescheren nicht nur den kleinen und mittelgroßen Kreditinstituten heftige Wertverluste ihrer Assetportfolios und einen massiven Mittelschwund, auch bei den führenden Adressen zeigen sich die Effekte deutlich. Zwar entwickelten sich die Einlagen bei diesen weniger schlecht als gedacht – vor allem, weil zahlreiche Kunden im großen Stil Mittel von regionalen zu großen Banken verschoben. Doch sollten Marktteilnehmer das Augenmerk eher auf die Kreditrisikovorsorge der Branchenführer legen.

Die vier nach Bilanzsumme größten Banken der USA – J.P. Morgan, Bank of America, Citigroup und Wells Fargo – haben in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres zusammen 3,4 Mrd. Dollar an faulen Privatkundenkrediten abgeschrieben. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg um 73%. Zudem haben sie ihre Ausfallreserven weiter aufgestockt, nachdem diese bereits im Schlussquartal 2022 deutlich gewachsen waren.

J.P. Morgan teilte mit, dass das Volumen der faulen Kredite im Kartengeschäft zwischen Januar und März des laufenden Jahres um 82% höher ausfiel als der Vergleichswert für 2022. Auch bei Goldman Sachs führten höhere Abschreibungen im Kartengeschäft zu einer Ausweitung der Risikovorsorge in der für das Consumer Banking verantwortlichen Sparte. Und das, obwohl das Geldhaus in Verbindung mit einem verlustreichen Teilverkauf des Kreditportfolios seiner Privatkundenplattform Marcus 440 Mill. Dollar an Reserven auflöste.

Die Vorstands- und Finanzchefs der Kreditinstitute sind bemüht, die Zahlen als Normalisierung darzustellen, nachdem die zu Pandemiezeiten aufgelegten staatlichen Stimuli die Kreditausfallquoten künstlich niedrig gehalten hätten. Doch der gleichermaßen überfällige wie radikale Kurswechsel der Federal Reserve im vergangenen Frühjahr führt dazu, dass nun zur Unzeit Belastungen und Gefahren aus allen Richtungen auf die Banken einstürmen. Neben den Privatkundenkrediten bereiten auch die Entwicklungen bei Immobiliendarlehen den Investoren zu Recht Kopfschmerzen. J.P.-Morgan-Chef Jamie Dimon räumte in einem Investorencall Ende der vergangenen Woche ein, dass es in diesem Segment noch zu einer gewissen Liquiditätsverknappung kommen könnte. Das klingt nach mehr als einer leichten Untertreibung: Die Nachfrage sowohl nach Wohnimmobilien als auch nach Büroflächen ist zuletzt eingebrochen, im Gewerbe-Segment ist es bereits zu Defaults auf milliardenschwere Hypothekenkredite gekommen.

Es steht zu befürchten, dass weiter anziehende Abschreibungen und Rückstellungen für faule Kredite die Gewinne der Großbanken in den kommenden Quartalen ausbremsen werden. Bei Citigroup und Bank of America halfen überraschend starke Einnahmen aus dem Fixed-Income-, Devisen- und Rohstoff-Trading zuletzt noch, höhere Aufwendungen für die Risikovorsorge auszugleichen. Doch sowohl im Aktienhandel als auch im Underwriting sowie der Transaktionsberatung entwickelten sich die Erträge branchenweit schwach. Insgesamt ist das Investment Banking in einem anhaltend angespannten Liquiditätsumfeld nicht als Hoffnungsträger geeignet.

Wie so oft hängt der Ausblick also stark von der Fed ab, deren Offenmarktausschuss Anfang Mai wieder tagt. Ökonomen rechnen mit einer weiteren Zinserhöhung. Bei einer anhaltenden Liquiditätsverknappung drohen die Negativfaktoren nach einem soliden Auftaktquartal aber ihre volle Wirkung auf die US-Banken zu entfalten. Dimon betonte jüngst, die eigene Stärke erlaube es J.P. Morgan, in unsicheren Zeiten als Stütze für den gesamten Finanzsektor zu wirken. Diese Rolle auszufüllen, dürfte für die Großbanken nun aber nicht leichter werden. Die Risiken in ihren Kreditportfolios dürften damit indirekt zu neuerlichen Belastungen für das Vertrauen in kleinere Kreditinstitute führen.