Trotz mehr Großschäden verdient die Branche gut
Beim Rendez-vous in Monaco knallen keine Sektkorken
Nach dem Ende des Branchentreffens in Monte-Carlo erwarten die Rückversicherer leicht sinkende Preise für Risikodeckungen. Die Ertragslage ist aber weiter gut.
Von Thomas List, Frankfurt
Am Mittwoch ist das diesjährige Rendez-vous de Septembre in Monaco zu Ende gegangen. Rückversicherer, Erstversicherer, Makler und Berater haben sich wie jedes Jahr an der Côte d’Azur getroffen, um die Konditionen für die große Vertragserneuerungsrunde am 1. Januar auszuloten. Dabei dürfte sich der Trend fortsetzen, der schon im Vorjahr begann und sich bei den Vertragserneuerungen in diesem Jahr verfestigt hat: Die Preise kommen unter Druck, sprich sie gehen zurück – zumindest in den meisten Bereichen. Das gilt allerdings nicht für schadenstarke Bereiche wie Naturkatastrophen oder das US-Haftpflichtgeschäft.
Muster setzt sich fort
Der auf Versicherer spezialisierte Ratinganbieter AM Best hat in der Erneuerungsrunde zum 1. Januar 2025 bei schadenfreien Naturkatastrophendeckungen risikoadjustierte Preisrückgänge von 5 bis 15% beobachtet. Dagegen gab es bei schadenbelasteten Deckungen Preiserhöhungen von bis zu 30%. Dieses Muster dürfte sich nach den Waldbränden um Los Angeles Anfang des Jahres fortsetzen.

Munich Re hat in Monte-Carlo darauf hingewiesen, dass die versicherten Schäden seit 2020 regelmäßig über 100 Mrd. Dollar pro Jahr lagen. Allein im ersten Halbjahr 2025 waren es 80 Mrd. Dollar. Das ist der zweithöchste Wert an versicherten Schäden in einem ersten Halbjahr seit 1980. Insbesondere mittelgroße Schäden durch Schwergewitter, Starkregen und Überschwemmungen häufen sich. Der traditionelle Branchenführer ist auch weiterhin bereit, seinen Kunden Naturkatastrophendeckungen zur Verfügung zu stellen – wenn denn Preise und Konditionen stimmen.
Schweizer fordern mehr Prävention
Die Swiss Re, traditionell Branchenzweiter, jetzt aber erstmals aus bilanztechnischen Gründen bei den Beitragseinnahmen an der Munich Re vorbeigezogen, hat in Monte-Carlo vor den zunehmenden Folgen extremer Wetterereignisse gewarnt. Angesichts der jährlich wachsenden Schäden habe sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die versicherten Schäden auf 200 Mrd. Dollar oder in einem Spitzenjahr sogar auf 300 Mrd. Dollar steigen. Swiss Re hält daher vorbeugende Maßnahmen für unverzichtbar: verbesserte Raumplanungen und Bauvorschriften und Risikomodelle. Privater und öffentlicher Sektor müssten gemeinsam in die Schadenprävention, aber auch in die Widerstandsfähigkeit gegen solche Wetterereignisse investieren.

Branchendritte will selektiv wachsen
Der Branchendritte Hannover Rück gab sich optimistisch zur Lage auf den Rückversicherungsmärkten. Zwar sei der Wettbewerb intensiv, doch auch die Nachfrage sei hoch. Münden werde dies in stabilen bis leicht rückläufigen Rückversicherungspreisen, so die Erwartung in Hannover. Auf der Basis von aus seiner Sicht guten Konditionen und angemessenen Selbstbehalten will der Rückversicherer im Geschäft mit Naturkatastrophendeckungen selektiv wachsen. Man wolle zur Erneuerungsrunde am 1. Januar 2026 mehr Rückversicherungskapazität zur Verfügung stellen. Zumindest sofern risikoadäquate Preise zu erzielen sind, wie die Hannover Rück einschränkt.
Kapazitäten steigen
Von einem Ausreißer im Jahr 2022 abgesehen stellt die Branche tatsächlich schon seit Jahren immer höhere Rückversicherungskapazitäten zur Verfügung. Die Zahlen von AM Best und des Maklers Guy Carpenter bzw. des Maklers Aon sprechen Bände: In diesem Jahr steht sogar ein Rekord zu erwarten. Laut AM Best/Guy Carpenter sind das als „traditionelles“ Kapital (von den Rückversicherern) 535 Mrd. Dollar, laut S&P bzw. Aon nach neun Monaten bereits 605 Mrd. Dollar. Dazu kommt alternatives Kapital insbesondere in Form von Katastrophenanleihen in einem nie dagewesenen Volumen von 114 bzw. 115 Mrd. Dollar.
Zusätzliche Deckungen können die Rückversicherer anbieten, weil sie sie gut kapitalisiert sind. S&P bezeichnet die Kapitalisierung mit Verweis auf die weltweiten Top 19 globalen Rückversicherer als eine der Stärken des Sektors. Auch die Profitabilität des Sektors ist hoch. So hat 2023 und auch 2024 die Eigenkapitalrendite die Kapitalkosten deutlich übertroffen. Auch 2025 werden die Rückversicherer mehr als die Kapitalkosten verdienen. Aber der Aufschlag wird weniger ausgeprägt sein als noch im Vorjahr. Dies liegt nach Angaben von S&P vorwiegend an den sinkenden Preisen im kurzfristigen Geschäft wie der Feuerversicherung.
Laut AM Best werden in diesem Jahr die Kapitalkosten von 9,5% nur dann nicht mehr verdient werden können, wenn die Rückversicherer über die Waldbrände von Los Angeles hinaus weitere Nettoverluste von mindestens 16 Mrd. Dollar hinnehmen müssten. Sollten die Katastrophenschäden 2025 ähnlich hoch sein wie 2024 sei dies unwahrscheinlich, schreibt AM Best in einem zum Versicherungstreffen in Monaco erschienenen Bericht.
Solide Kapitalerträge
Eine zentrale Rolle bei der guten Profitabilität der Rückversicherer spielen die soliden Kapitalerträge. Die Zusammensetzung der Kapitalanlagen hat sich bei den Rückversicherern, genauer den 25 größten weltweit, in den vergangenen Jahren verändert – in eine unerwartete Richtung. Denn der Anteil der festverzinslichen Wertpapiere hat sich von 62% (2018) auf 70% (2024) erhöht. Dagegen hat sich der Anteil anderer Anlagen – das sind vor allem Private Equity und Hedgefonds – von 23% auf 12% fast halbiert. Die hier frei gewordenen Mittel seien in US-Staatsanleihen und Unternehmensanleihen sowie Barmittel und deren Äquivalente geflossen, schreibt AM Best.
Grundsätzlich haben Rückversicherer aber immer schon einen noch größeren Wert als Erstversicherer auf sichere und stabile Anlageerträge gesetzt, was sich eben vor allem an einem höheren Anteil Festverzinslicher Anlagen gezeigt hat – und an deren Zusammensetzung. Denn laut S&P entfallen 76% auf die drei höchsten Bonitätsstufen „AAA“ 21%, „AA“ 34% und „A“ 21%. Nächstgrößere Ratingklasse ist dann „BBB“ mit 17%.
Schlussfolgerungen gehen auseinander
Obwohl alle vier Ratingagenturen – AM Best, S&P, Moody´s und Fitch – in der Analyse der Rückversicherer und des Marktes sehr nahe beieinander liegen, unterscheiden sich ihre Schlussfolgerungen, gemessen am „Ausblick“ deutlich. Die „skeptischere“ Fraktion sieht den Sektor „stabil“ (S&P und Moody´s) oder gar „sich verschlechternd“ (deteriorating). Dagegen bestätigte AM Best jetzt ihren „positiven“ Ausblick vom November 2024.

Ausschlaggeben für das Urteil von AM Best sind vier Faktoren: die robuste, risikoadjustierte Kapitalausstattung, die starken Zeichnungsergebnisse zusammen mit den zinsbedingt erhöhten Kapitalerträgen, Marktkonditionen, die weiterhin gute Preise erlaubten trotz erster Zeichen eines weicheren Marktes und schließlich deutliche Fortschritte beim Risikomanagement insbesondere durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz.
Fitch ist skeptisch
Fitch wiederum begründet seine Anfang September beschlossene Herabstufung des Sektors von „neutral“ auf „deteriorating“ mit der „reichlichen“ Rückversicherungskapazität und dem zunehmenden Wettbewerb. Beides werde in den meisten Rückversicherungslinien zu einer graduellen Preiserosion und sich lockernden Konditionen führen, außer hohe Schäden im zweiten Halbjahr 2025 würden das Kapital deutlich reduzieren. Nachlassende Preise und höhere Schadenkosten würden die Zeichnungsmargen verringern, gibt Fitch zu bedenken.
An den Börsen haben sich die Kurse der drei großen Rückversicherer in den vergangenen Tagen kaum verändert. Vom 5. September, also vor Monaco, bis zum 10. ist Munich Re minimal schwächer geworden, Hannover Rück praktisch gleich geblieben und Swiss Re hat sich minimal verbessert.