Trumps strammer Marsch in die Autokratie
Trumps strammer Marsch in die Autokratie
US-Präsident Donald Trump will durchregieren und untergräbt den Rechtsstaat sowie demokratische Institutionen. Politischer Widerstand bleibt gering.
Von Peter De Thier, Washington
Seine Bewunderung für Machthaber hat US-Präsident Donald Trump noch nie kaschiert. Im Gegenteil. Nachdem Chinas Nationaler Volkskongress 2018 für Xi Jinping das Limit von zwei Amtszeiten aufhob, war Trump beeindruckt: „Ich könnte mir auch vorstellen, ein Präsident auf Lebenszeit zu sein“ sagte er. Und meinte es durchaus ernst, wie Berater des Präsidenten sagen.
Seit seiner zweiten Inauguration schickt sich Trump an, in die Fußstapfen von „Vorbildern“ wie Xi zu treten. Der Präsident regiert fast ausschließlich per Dekret. Er ignoriert Gerichtsurteile, die ihm nicht ins Konzept passen. Er beruft sich auf uralte Gesetze, um illegale Razzien gegen Migranten durchzuführen und Strafzölle zu legitimieren. Für den Kreuzzug gegen politische Gegner hat Trump zudem die Rückendeckung von Generalstaatsanwältin Pam Bondi. Sie findet Gründe, um auf Geheiß des Präsidenten jedem Kritiker einen Prozess zu machen.
Zudem spaltet Trump mit seiner Dämonisierung der demokratischen Opposition das Land und hat wiederholt zur Gewalt gegen seine Kritiker aufgerufen. Die Quittung bekam er nun in Form der tragischen Ermordung des rechtsgerichteten Aktivisten Charlie Kirk präsentiert. Das Attentat wird die Kluft in der Gesellschaft weiter vertiefen und könnte Trumps Marsch in die Autokratie sogar erleichtern. Denn er behauptet ja, moralisch die Oberhand zu haben.
Ist der Widerstand gebrochen?
Autokratische Tendenzen beweist auch sein Versuch, die Kontrolle über die unabhängige Geldpolitik an sich zu reißen. Unterdessen stellt sich acht Monate nach dem Beginn von „ Trump 2“ die Preisfrage: Regt sich Widerstand? Ist es Trump gelungen, die Resistenz demokratischer Institutionen, die ihm früher standhalten konnten, zu brechen? Und gibt es noch Politiker, die imstande sind, die politische Lawine Trump zu bremsen? Oder wird er die nächsten drei Jahre unbehelligt durchregieren können?
Einiges spricht dafür, dass der Präsident die besseren Karten hält. Schließlich hatte im Juli vergangenen Jahres das Verfassungsgericht – der United States Supreme Court – Trump für seine Amtshandlungen faktisch volle Immunität zuerkannt. Nach Ansicht einer Mehrheit der Richter sei nicht einmal klar, ob er wegen der hetzerischen Rede vom 6. Januar 2021 jemals strafrechtlich verfolgt werden kann. Die hohen Richter wollten sich nämlich nicht darauf festlegen, ob seine Rede, die zu dem blutigen Aufstand im Kapitol geführt hatte, eine „Amtshandlung“ darstellte.
Immunität entfesselt Trump
Mit der strafrechtlichen Immunität des Supreme Court hält der Präsident eine Trumpfkarte, die einem Blankoscheck für politische Handlungen gleichkommt. Damit ist aber der Widerstand, den andere Organe der Justiz leisten, längst nicht gebrochen. So hat vergangene Woche ein Bundesgericht entschieden, dass der Präsident mit den Einfuhrzöllen seine Kompetenzen überschreitet. Abgaben oder andere Sanktionen zu verhängen sei allein Sache des Kongresses, meinte das Gericht.
Der Rechtsanwalt Neil Katyal vertritt betroffene Unternehmen, die gegen Trumps Handelssanktionen geklagt hatten. „Wenn Präsident Trump die Zölle für so wichtig hält, dann kann er sich an den Kongress wenden“, erklärt Katyal. Dort könne er seine republikanischen Freunde um die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes bitten.
Nagelprobe für die US-Justiz
Das Berufungsgericht lässt die Abgaben noch bis Anfang Oktober gelten. Das Weiße Haus hat in der Zwischenzeit beim Supreme Court Einspruch eingelegt. Unterdessen könnte die Entscheidung des obersten Gerichtshofs zu den Zöllen zur Nagelprobe für die Widerstandsfähigkeit des Justiz werden. Sollten die hohen Richter nämlich die Rechtswidrigkeit der Zölle bestätigen, dann wäre der Präsident rechtlich verpflichtet, diese aufzuheben.
Würde Trump aber einem Urteil, das die Abgaben für illegal erklärt, folgen? Und wenn nicht, wer könnte ihm im Wege stehen? Finanzminister Scott Bessent hat bereits vor den Folgen eines solchen Richterentscheids gewarnt. „Wir müssten ein Supreme Court Urteil natürlich einhalten“ sagt Bessent. „Dann wären wir aber gezwungen, etwa die Hälfte der Zölle zurückzuerstatten, und das wäre für das Schatzamt eine schlimme Sache“, so der Minister.
„Andere Wege“, die Gerichte zu umgehen
Der Möglichkeit, dass das höchste Gericht die Rechtswidrigkeit der Zölle bestätigt, sieht Trumps Chefvolkswirt Kevin Hassett gelassen entgegen. „Es gibt andere Wege, falls das Gericht nicht in unserem Sinne entscheidet“, so Hassett. „Unter anderem könnte der Präsident sich auf Paragraph 232 des Trade Expansion Act aus dem Jahr 1962 berufen“, meint der Ökonom. Das tat Trump bereits ein Mal vor sieben Jahren. Der Passus ermächtigt einen Präsidenten, Zölle zu verhängen, wenn die Einfuhr bestimmter Waren „die nationale Sicherheit gefährdet“. Trump sieht offenbar in dem hohen US-Außenhandelsdefizit eine „Sicherheitsgefahr“. Folglich wäre es durchaus möglich, dass er diesen alternativen Weg beschreiten würde.
Auf ersten Blick scheint das Urteil zu den Zöllen zu bestätigen, dass die staatliche Gewaltenteilung und das System von „checks and balances“ noch intakt sind. Dass es Trump aber gelungen ist, das höchste Gericht zu vereinnahmen, beweist die jüngste Entwicklung in Sachen Migrationspolitik. So entschied ein Bundesrichter vergangene Woche, dass der Präsident den „Alien Enemies Act“ zweckfremd und rechtswidrig einsetzt. Trump berief sich auf das Gesetz aus dem Jahr 1798, um Migranten zu verhaften und ohne eine Gerichtsanhörung abzuschieben.
Supreme Court steht hinter Trump
Dabei war der Kongressbeschluss seinerzeit ausschließlich für Kriegszeiten gedacht. Zuletzt kam es während der beiden Weltkriege zur Internierung deutsche, japanischer und italienischer Staatsbürger zum Einsatz. Der Richter entschied, dass die nunmehr willkürliche Anwendung des Gesetzes „unweigerlich zur Verhaftung und Abschiebung der falschen Menschen führen wird“.
Diese Woche aber drehte der Supreme Court, zu dem Trump drei erzkonservative Richter ernannt hat, den Spieß komplett um. Das hohe Gericht schlug sich auf die Seite des Präsidenten und entschied, dass die brutalen Razzien gegen Migranten in Los Angeles ungehindert weitergehen dürfen. Über die institutionelle Resistenz gegen Trumps Wunsch, durchzuregieren, ist also das letzte Wort noch nicht gesprochen. Sicher ist hingegen, dass es an den politischen Akteuren fehlt, die ihm Paroli bieten. Republikanische Abgeordnete, allen voran Mike Johnson, der mächtige Sprecher des Repräsentantenhauses, drücken bei jedem Rechtsverstoß ein Auge zu. Johnson blockiert sogar Anhörungen und die Freigabe von Dokumenten, die Trump belasten könnten. Der „Speaker“ erhält Marschbefehle aus dem Weißen Haus und führt die Kongressgeschäfte im Sinne des Präsidenten.
Politischer Widerstand fehlt
Unterdessen könnte die Notenbank tatsächlich eine der letzten Institutionen sein, die Trumps Marsch zur Autokratie Steine in den Weg legt. Zwar hat er mit dem Ökonomen Stephen Miran einen treuen Verbündeten in den Fed-Vorstand gehievt. Auch wird der Präsident demnächst einen designierten Nachfolger für Notenbankchef Jerome Powell ernennen, der Zinsbeschlüsse mit dem Weißen Haus abspricht.
Trumps Problem: Er fordert Zinssenkungen ohne Rücksicht auf die inflationären Folgen der Zölle, die ihre volle Wirkung noch entfalten werden. Selbst wenn Miran und der nächste Fed-Chef ohne Rücksicht auf die Teuerung Senkungen befürworten, müssten fünf weitere Mitglieder des Notenbankforums ihnen folgen. Das wäre bei hoher Inflation unwahrscheinlich. So gesehen könnte ausgerechnet die Fed Trump eine der wenigen Grenzen seiner Macht aufzeigen.
Fed als letzte Hoffnung?
So viel ist klar: Die größte westliche Demokratie bewegt sich auf brüchigem Boden. Schließlich liefert das 900 Seiten lange Werk „Project 2025“, das von der rechtsgerichteten Heritage Foundation stammt, das Drehbuch für „Trump 2“. Im Mittelpunkt steht die sogenannte „Unitary Executive Theory“. Diese strebt für den Präsidenten praktisch die vollständige Kontrolle über den staatlichen Verwaltungsapparat an. Wie der ehemalige Project 2025-Leiter Paul Dans sagte, ist Trump der beste Akteur, um dieses Ziel zu erreichen. „Er hat meine kühnsten Träume übertroffen“, erklärte Dans.
Demokraten müssen Kongresswahlen nutzen
Die meisten Hürden auf dem Marsch zur Autokratie hat Trump schon beiseite geräumt. Für den Rechtsstaat und die Demokratie besteht aber noch Hoffnung. Um die Autokratie abzuwenden, müssen Institutionen und einzelne Politiker resistenter sein und ohne Rücksicht auf die eigenen Interessen für den Fortbestand der Demokratie kämpfen. Das beginnt im Herbst kommenden Jahres mit den Kongresswahlen. Gelingt es den Demokraten, die Mehrheiten sowohl im Senat als auch dem Repräsentantenhaus zurückzugewinnen, dann wird Trump kein so leichtes Spiel mehr haben.