Allianz

Unter dem Damoklesschwert

Die Allianz hat einen Fehler gemacht. Sie muss sich vorwerfen, Fondsstrategien verfolgt zu haben, die bei hoher Volatilität der Märkte kollabieren. Der Absturz des Aktienkurses aber ist übertrieben.

Unter dem Damoklesschwert

Wer Post vom US-Justizministerium bekommt, der hat ein Problem. Dies gilt umso mehr, wenn der Empfänger ein deutsches Unternehmen ist. Diese Erfahrung hat nun auch die Allianz gemacht. Die Ad-hoc-Mitteilung, dass das Ministerium die Fondstochter AGI zum Überlassen von Unterlagen aufforderte, schickte den Aktienkurs auf Talfahrt. Zeitweise verlor der Versicherer mehr als 8 Mrd. Euro Kapitalisierung, am Ende des Tags waren es 6 Mrd. Euro. Der Kursabschlag betrug 8%.

Der Streit der Allianz mit Großanlegern wächst in eine neue Dimension. Die meist institutionellen Investoren wollen vor US-Gerichten ihre Verluste zurückholen, die sie wegen der zeitweiligen Kurseinbrüche ganz spezieller Anlagen am Beginn der Coronakrise eingefahren haben. Diese Klagen sind allerdings schon seit zwölf Monaten bekannt, und die Allianz hatte erklärt, sich nachdrücklich verteidigen zu wollen. Wie also ist der Kursrutsch zu bewerten?

Das Einschreiten des Ministeriums erhöht die Unwägbarkeiten. Daher zeigt sich die Allianz in der Mitteilung zurückhaltender als bisher. Das Einkalkulieren finanzieller Belastungen ist die logische Folge. Die Crux der Ad-hoc ist, dass sie den Geist der Unbestimmtheit atmet, wie sie Anwälten zu eigen ist. Beispielsweise weiß man nicht, ob sich die Untersuchungen gegen den Konzern oder vorerst nur gegen Einzelpersonen richten. Ebenso offen lässt die Mitteilung die genaue Rechtsauffassung der Allianz. Unbestimmtheit aber ist Gift für den Kapitalmarkt.

Trotzdem scheint die Kursreaktion überzogen zu sein. Denn die beklagte Structured-Alpha-Fondsfamilie hatte vor dem Corona-Debakel ein Volumen von 8 Mrd. Dollar. Einen Komplettverlust wird wohl kein Gericht anerkennen, so dass die Belastung zwar Milliardenhöhe erreichen kann, aber kaum im oberen einstelligen Bereich landen sollte. Zudem wurden die Anteile an den als Gesellschaften strukturierten Fonds an Investmentprofis verkauft – sie wissen natürlich, dass das Risiko von Kursverlusten wächst, wenn sie auf eine höhere Outperformance zielen. Sogar US-Gerichte sollten dies berücksichtigen. Außerdem ist der Abschlag am Montag auch Folge davon, dass Shortseller die Gunst der Stunde nutzten.

Die Allianz muss sich vorwerfen, Fondsstrategien verfolgt zu haben, die bei hoher Volatilität der Märkte kollabieren. Der Fehler resultiert in einer möglichen Milliarden-Belastung. Dieses Risiko lastet auf dem Aktienkurs. Es ist die Frage, wie lange die Allianz unter diesem Damoklesschwert wirtschaften will.  Sie kommt nicht darum herum, Chancen für eine Einigung mit den Klägern auszuloten.

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