Onlinebroker

Neobroker sorgen für Teilhabe

Die Neobroker sind angetreten, das Wertpapiergeschäft für Retail-Kunden zu revolutionieren, indem sie den kommissionsfreien Handel eingeführt und diesen über das Frontend Smartphone vereinfacht zugänglich gemacht haben. Das war insbesondere bei...

Neobroker sorgen für Teilhabe

Die Neobroker sind angetreten, das Wertpapiergeschäft für Retail-Kunden zu revolutionieren, indem sie den kommissionsfreien Handel eingeführt und diesen über das Frontend Smartphone vereinfacht zugänglich gemacht haben. Das war insbesondere bei jungen und spekulationsfreudigen Anlegern so erfolgreich, dass heute eine ganze Generation ihren Weg an den Aktienmarkt gefunden hat und im von den Notenbanken befeuerten Bullenmarkt Depotgewinne feiert. Der im Frühjahr 2013 gegründete US-Neobroker Robinhood bringt es dabei auf gut 13 Millionen Kunden, die im Herbst 2015 an den Start gegangene Trade Republic hat schon mehr als 600000 Kunden im aktienmüden Deutschland gewonnen – und hat damit wahrscheinlich mehr für die Aktienkultur getan als eine träge wirkende Branchenlobby, die seit dem Zusammenbruch des Neuen Marktes und dem Tod der Volksaktie Deutsche Telekom ihre Wunden leckt.

Dabei gilt es zunächst einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass es tatsächlich die Ansprache über ein kinderleicht zu bedienendes App-Frontend ist, die jungen Aktionären den Einstieg erleichtert hat – und ein junges Gründerteam wie von Trade Republic für eine Identifikation sorgt, die alte Aktien-Haudegen nicht verkörpern können. Bei Robinhood sind Rebellentum und gesellschaftliche Redistribution schon im Firmennamen angelegt – und wer schon mal gesehen hat, wie die App mit Gratisaktien (und Kredit) Neuankömmlingen den Teppich ausrollt, der beginnt zu ahnen, warum die junge Generation zu den Neobrokern strömt, um neben dem „thrill of it all“ des Daytrading ihre Ansprüche auf eine ökonomische Teilhabe durchzusetzen.

Denn die jungen Aktionäre haben zumindest implizit realisiert, dass sie in einer „ownership society“ leben, die nur den belohnt, der Sachwerte wie Immobilien und Aktien besitzt. Die Bedeutung des Arbeitseinkommens für den Aufbau von Wohlstand schmilzt, gleichwohl stellt für alle, die nicht Nutznießer einer Erbschaft sind, dieses Einkommen den Grundstock für Investments am Kapitalmarkt dar. Und dass man da mit Blick auf die Altersvorsorge tätig werden muss, das führt die immer weiter auseinanderklaffende Verteilung von Wohlstand vor Augen: Die Rettungspolitik von Staaten und Notenbanken zur Finanzkrise von 2008 hat das Delta weiter vergrößert, da ein Bail-out für Kapitalmarktinvestments stattfand – und diejenigen mit einem dicken Depot davon profitierten, während es für Teile der Bevölkerung nur darum geht, über die Runden zu kommen.

Es kommt also nicht von ungefähr, dass sich viele abgehängt fühlen und nun ihr Schicksal am Aktienmarkt selbst in die Hand nehmen. Dabei sind einige Anleger jedoch angesichts der Pluszeichen im Depot übermütig geworden und zettelten einen Spekulationskrieg gegen die Hedgefonds mit ihren Short-Seller-Strategien an. Die geballte Macht der Retail-Front war damit so erfolgreich, dass Hedgefonds zweistellige Milliardenverluste verbuchten. Beim unweigerlichen Kursabsturz von Spekulationsobjekten wie der Gamestop-Aktie mussten zwar auch Kleinanleger ihren Tribut zahlen – aber viele sind dank Data Tools gut genug gerüstet, um kurzfristige Ge­winne mitzunehmen: Der Kern dieser Kleinanleger ist nicht so naiv, wie gerne von Aktienprofis unterstellt wird. Ganz im Gegenteil: Die Profis büßen ihren Bildungsvorsprung zusehends ein, was dank freier Informationen im Internet die Basis darstellt für eine echte Demokratisierung des Kapitalmarktes. Warum sollen in Zukunft nicht neue, digital organisierte Aktionärsverbände ihre Interessen auf Hauptversammlungen lautstark vertreten?

Ihren Groll gegenüber den Neobrokern für temporäre Kaufverbote hochvolatiler Papiere werden die Anleger überwinden müssen, auch wenn sie zu Recht erbost sind über den temporär eingeschränkten Marktzugang. Der eigentliche Kollateralschaden für die Neobroker liegt im aufsichtlichen Hinterfragen des Geschäftsmodells „Payment for Order Flow“ mit den Marketmakern. Robinhood hat sich dafür von der SEC schon eine dicke Ohrfeige abgeholt, da man dabei erwischt wurde, wie mit Citadel Securities für Kunden nachteilige Konditionen vereinbart wurden – und Citadel Securities wurde vor knapp zwei Jahren beim missbräuchlichen Gebrauch von Orderflow-Daten erwischt. Dass die Orderflow-Rückvergütung in Großbritannien und den Niederlanden verboten ist, stellt dabei nicht zwangsläufig ein gutes Vorbild dar. Denn eine solche Maßnahme wirkt protektionistisch für die klassischen Börsenplätze. Das muss man bedenken, wenn man das neue Zeitalter des Retail-Anlegers nicht abwürgen will.