EU-Kommission schlägt zentrale Aufsicht für Handelsplätze vor
EU-Kommission schlägt zentrale Aufsicht für Handelsplätze vor
Brüssel schlägt zentrale Aufsicht für Handelsplätze vor
ESMA soll auch über Nachhandel und Kryptodiensteanbieter wachen – Harmonisierung der Regeln für Assetmanager – Mehr Spielraum für DLT-Piloten
Mit Dutzenden von Einzelvorschlägen für die Infrastruktur des Kapitalmarkts – Handel, Verrechnung und Abwicklung von Wertpapiergeschäften – versucht die EU-Kommission, die Fragmentierung von Europas Kapitalmärkten zu reduzieren. EU-Kommissarin Maria Albuquerque sieht darin einen Kern der Spar- und Investitionsunion.
fed Brüssel
Legislativer Paukenschlag für das Wertpapiergeschäft: Die EU-Kommission schlägt eine ganze Fülle von Änderungen der Regeln für Handelsplätze, Clearinghäuser, Zentralverwahrer, Vermögensverwalter und Kryptodienstleister vor. Ziel des Gesetzespakets zur Marktinfrastruktur ist es, Hindernisse zu beseitigen, die anlagesuchenden Investoren und kapitalsuchenden Unternehmen in Europa nach Ansicht der Brüsseler Behörde bislang das Leben erschweren. EU-Kommissarin Maria Albuquerque hat das umfangreiche legislative Paket am Donnerstag vorgestellt, das Änderungen an 17 Gesetzen vorschlägt.
Ein zentrales Element des Gesetzespakets ist die Aufwertung der EU-Marktaufsichtsbehörde ESMA. Das in Paris beheimatete Amt soll zwei Jahre nach Verabschiedung des Pakets die direkte Aufsicht über bedeutende Zentrale Gegenparteien (Central Counter Parties) wie beispielsweise Eurex Clearing, über große Zentralverwahrer (Central Securities Depositories) wie etwa Euroclear oder Clearstream und über Handelsplätze wie Euronext oder die Deutsche Börse übernehmen. Daneben soll die ESMA auch bestehende und künftige Krypto-Dienstleister unter ihre aufsichtlichen Fittiche nehmen. Ganz wichtig ist dabei, dass sich die Aufsicht über die Börsen auf die Handelsplätze selbst konzentriert. Die traditionelle Marktaufsicht – und damit verbunden auch die Entdeckung und Sanktionierung von Marktmissbrauch – soll auch in Zukunft bei den national dafür zuständigen Behörden verbleiben.
Zugleich schlägt die EU-Kommission in ihrem Marktinfrastruktur-Gesetzespaket vor, die Governance der EU-Marktaufsichtsbehörde anzupassen und zu straffen. Ein sechsköpfiger Exekutivausschuss soll eingerichtet werden, der Entscheidungen über die direkte Aufsicht trifft. Da dieses Gremium an Bedeutung gewinnt, sollen die jeweiligen Amtszeiten der Mitglieder verkürzt werden. Der Verwaltungsrat, in dem die nationalen Aufseher wie die BaFin versammelt sind, soll ein Veto im Falle besonders folgenschwerer Entscheidungen haben. Um die Tätigkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden in der EU besser abzustimmen, sollen neue Instrumente wie etwa Kooperationsplattformen eingesetzt werden. Und weil das alles Geld kostet, soll die ESMA deutlich mehr Mittel erhalten, maßgeblich finanziert durch Gebühren von Marktteilnehmern.
„Paneuropäische Marktbetreiber“
Neben den erheblichen Veränderungen in Sachen Beaufsichtigung sieht der Gesetzesentwurf, der in den nächsten Monaten in EU-Parlament und Rat parallel verhandelt werden wird, zahlreiche Anpassungen im Regelwerk der Handelsplätze vor. Nationale Anforderungen sollen beseitigt und die Möglichkeiten, grenzüberschreitend tätig zu sein, erweitert werden – etwa wenn Handelsplätze über Zweigniederlassungen mit Investoren und Emittenten in anderen EU-Staaten in Kontakt treten. Etabliert werden soll der Status eines „paneuropäischen Marktbetreibers“, der es erlaubt, mehrere Handelsplätze mit einer Lizenz in Betrieb zu haben. So unterhält beispielsweise die Mehrländerbörse Euronext aktuell acht Tochtergesellschaften und benötigt dafür acht Lizenzen. Künftig soll sie, wenn sie sich entsprechend organisiert, nur noch eine Lizenz benötigen und damit Aufwand und Kosten sparen. Die EU-Kommission erhofft sich dadurch eine gewisse Bündelung von Liquidität. Denn sie setzt darauf, dass die Zentralisierung des Betriebs ein erster Schritt ist, damit die Infrastrukturanbieter Lösungen für die Zusammenführung von Liquidität über die von ihnen betriebenen Handelsplätze hinweg entwickeln.
Vernetzung der Verwahrer
Was den Nachhandel, also Verrechnung (Clearing) und Abwicklung (Settlement) angeht, so sollen auch hier grenzüberschreitende Transaktionen leichter werden, indem Dienstleistungen über EU-Binnengrenzen hinweg erlaubt und Abwicklungsvorgänge standardisiert werden. Zudem strebt Brüssel eine engere Vernetzung der Zentralverwahrer an, das Verfahren zur Einrichtung von Verbindungen zwischen Euroclear, Clearstream & Co. soll gestrafft werden. Dabei soll Technologieneutralität als Prinzip der Regulierung gelten, was angesichts der Blockchain-basierten Modelle an Bedeutung gewinnen dürfte. Zur Rechtssicherheit soll die Harmonisierung der Garantien für die Endgültigkeit der Abrechnung dienen.
EU-Depotbank-Pass
Umfangreich fallen auch die Anpassungen für das Assetmanagement aus. Harmonisierte EU-Vorschriften sollen nationale Hindernisse bei der Zulassung und den Meldepflichten beseitigen. Ein EU-Depotbank-„Pass“ soll es Anbietern alternativer Investments (AIF) und von Kleinanlegerfonds (Ucits) ermöglichen, eine Depotbank mit Sitz innerhalb der EU zu benennen und es Depotbanken erlauben, ihre Dienstleistungen grenzüberschreitend anzubieten. Die EU-Kommission reagiert auch auf die Forderung der Alternativen-Investment-Branche, die Berichtsanforderungen rund um die frühzeitige Kommunikation von Anbietern und Investoren über neue Produkte (Pre-Marketing) abzuschaffen: Nun ist von der „Aufhebung der Vorabmeldung von Marketingkommunikation“ die Rede. Schließlich setzt sich die EU-Kommission das Ziel, unterschiedliche nationale Anforderungen für Assetmanager zu beseitigen, sodass die EU für Vermögensverwalter zu einem leichter zu navigierenden Umfeld wird. Auch soll es Assetmanagement-Gruppen einfacher gemacht werden, bestimmte Funktionen innerhalb ihrer Unternehmensgruppe zu delegieren, um damit nicht alles von allen einzelnen Einheiten machen lassen zu müssen.
Erleichterungen für DLT
Unter dem Stichwort „Innovation“ versucht die EU-Kommission daneben, DLT-Anbietern das Leben zu erleichtern. So soll der Anwendungsbereich von Pilotprogrammen über Aktien, Anleihen und Ucits-Fonds hinaus ausgeweitet werden. Schwellenwerte sollen nach dem Willen der EU-Behörde deutlich angehoben, „Umfang und Größenordnung“ ausgedehnt und der Betrieb von DLT-Infrastrukturen erheblich erleichtert werden.
Anpassungen empfiehlt das Gesetzespaket der EU-Kommission schließlich auch beim einheitlichen Datenticker, beim Consolidated Tape. Nach Darstellung von EU-Beamten sollen Banken, die Wertpapieraufträge ihrer Kundschaft in der Rolle sogenannter Systematischer Internalisierer außerbörslich ausführen, zu stärkerer Transparenz über ihre Quotierungen verpflichtet werden.
Gesetzestechnisch folgt die EU-Kommission in ihrem Vorschlag der Idee der Vollharmonisierung. Zahlreiche Vorgaben, die bislang in EU-Richtlinien geregelt sind und somit den nationalen Regierungen noch die Chance zur Abweichung in einzelnen Punkten lassen, werden in EU-Verordnungen übertragen. Teile der MiFiD wandern in die MiFiR, aus der Settlement Finality Directive wird eine Settlement Finality Regulation. Erklärtes Ziel ist es, das Regelwerk zu vereinheitlichen und nationales Draufsatteln (Gold-Plating) zu unterbinden.
