Reflation

Nicht einlullen

Aktuell vergeht kein Tag, an dem sich nicht mindestens ein Euro-Notenbanker besorgt zeigt wegen des Anstiegs der Euro-Anleiherenditen und vor negativen Folgen für die Euro-Wirtschaft warnt. Gestern war die Reihe vor allem an EZB-Vize Luis de...

Nicht einlullen

Aktuell vergeht kein Tag, an dem sich nicht mindestens ein Euro-Notenbanker besorgt zeigt wegen des Anstiegs der Euro-Anleiherenditen und vor negativen Folgen für die Euro-Wirtschaft warnt. Gestern war die Reihe vor allem an EZB-Vize Luis de Guindos, der sogar gleich mit einer Ausweitung des 1,85-Bill.-Euro-Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP liebäugelte. So verständlich die Sorgen der Euro-Währungshüter sind, sie dürfen aber auch nicht überreagieren – weder mit Worten und schon gar nicht mit Taten.

Natürlich ist ein abrupter Anstieg der Renditen und eine unangemessene Straffung der Finanzierungsbedingungen, die den gerade beginnenden Aufschwung gefährden könnte, das Allerletzte, was es jetzt braucht – das gilt für Euroland wie für die USA und für die EZB wie für die Fed. Ein gewisser Anstieg der Renditen ist aber absolut ge­recht­fertigt angesichts besserer Wirtschaftsaussichten weltweit und der doch anziehenden Inflation. Mehr noch: Ein moderater Anstieg ist sogar eine wünschenswerte Rückkehr zu mehr (Zins-)Normalität. Es ist also ein schmaler Grat zwischen berechtigter Beruhigung und gefährlichem Einlullen der Märkte.

Bemerkenswert ist, dass die Fed bislang sehr viel entspannter wirkt als die EZB, deren Granden sich seit Tagen verbal abstrampeln – und das, obwohl der Anstieg der US-Renditen stärker ist. Tatsächlich aber sind die Aussichten für die US-Wirtschaft viel positiver als für das Euro-Pendant, so dass in den USA höhere Renditen besser verkraftbar er­scheinen. Die USA kommen bei den Corona-Impfungen rasch vo­ran und stehen trotzdem vor neuen Billionen-Hilfen für die Wirtschaft – wobei das fast zu viel des „Guten“ scheint. In Europa dagegen entwickelt sich das Thema Impfungen immer mehr zum Debakel, und in Sachen fiskalische Stütze dürfte es gerne etwas mehr sein. Beide Versäumnisse aber kann die EZB auch mit noch so viel billigem Zentralbankgeld nicht kompensieren.

Sollte sich der Anstieg der Euro-Renditen im jüngsten Tempo fortzusetzen drohen und zur Gefahr für die Wirtschaft werden, kann und sollte die EZB erst einmal das tägliche Volumen der PEPP-Käufe erhöhen. Gerade einmal drei Monate nach der satten PEPP-Aufstockung Mitte Dezember schon über eine weitere Ausweitung zu fabulieren, erscheint aber reichlich überzogen. Das gilt umso mehr, als auch die EZB jeden Eindruck vermeiden sollte, das Thema Inflation auf die leichte Schulter zu nehmen. Sicher, zu Inflationspanik besteht aktuell kein Anlass. Aber genauso wenig ist es Zeit für übertriebene Selbstzufriedenheit oder Gelassenheit. Das kann schnell nach hinten losgehen.