„Chief Wizard“ am Ende
„Chief Wizard“ Duggal von Builder AI am Ende
Von Andreas Hippin, London
Es ist still geworden um Sachin Dev Duggal (42), den Mann hinter der britischen Einhorn-Pleite Builder AI. Der Gründer und „Chief Wizard“ des Startups, das mehr als 450 Mill. Dollar bei Investoren wie Microsoft, dem Staatsfonds von Katar (QIA) und Risikokapitalgebern wie Insight Partners einsammelte, erwies sich am Ende als Zauberer von Oz. Seine Firma wurde vorübergehend mit 1,5 Mrd. Dollar bewertet.
Mit Hilfe ihrer „KI mit menschlicher Unterstützung“ sollte der Bau eigener Apps für Kunden wie die BBC so einfach sein wie das Bestellen einer Pizza. Der ehemalige Handelsminister Liam Fox betonte einst die Bedeutung von Builder AI für die britische Techbranche. Vergangenen Monat verabschiedete sich die Engineer.ai, die zentrale Firma der Gruppe, jedoch in die Zahlungsunfähigkeit. Diesen Monat ging die US-Holding in Delaware in die Insolvenz (Chapter 7).
Illustre Gläubiger
Wie die „Financial Times“ berichtet, befinden sich unter den Gläubigern so interessante Unternehmen wie der israelische Privatgeheimdienst Shibumi Strategy, der von ehemaligen Mossad-Agenten und Geheimdienstoffizieren gegründet wurde und seine Dienste vermögenden Privatkunden anbietet. Auch der Kanzlei Quinn Emanuel und der Krisen-PR-Firma Sitrick Group schuldet Builder AI Geld. Dem Blatt zufolge belaufen sich die Verbindlichkeiten bei den mehr als 200 Gläubigern auf 100 Mill. Dollar. Dagegen stehen Assets von lediglich 10 Mill. Dollar.
Duggal hatte den Chefsessel schon im März geräumt, blieb jedoch als Boardmitglied und Oberzauberer an Bord. Wie „The National“ aus Abu Dhabi berichtet, ist er nach Dubai umgezogen. Ihm fehlt es nicht an Selbstbewusstsein. Seine Karriere begann schon im zarten Alter von 14 Jahren. Damals baute er PCs. Mit 17 hatte er für die Deutsche Bank eines der ersten Arbitrage-Währungshandelssysteme der Welt geschaffen. Noch während er am Londoner Imperial College studierte, brachte er mit 21 sein Cloud-Computing-Venture Nivio an den Start.
Davos Man
Danach konzentrierte er sich auf eine Foto-Sharing-App namens Shoto. Er hatte aber Probleme, Frontend-Entwickler zu finden, die seinen Anforderungen entsprachen. Damit war die Idee für Builder AI geboren. Vor neun Jahren gründete er das Unternehmen. Die KI sollte die Features der vom Kunden gewünschten App wie ein Lego-Set zusammenbauen.
Im vergangenen Jahr kürte ihn die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zum „World Entrepreneur of the Year“. Es war nicht die erste Auszeichnung. Schon 2009 wurde er auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos als Technologiepionier gefeiert.
Juristische Auseinandersetzungen
„Erfolg braucht Beständigkeit, Hingabe, Verletzlichkeit und Geduld“, wird Duggal auf der Website von EY zitiert. „Man muss sich auf den langfristigen Vorteil konzentrieren, nicht auf die kurzfristigen Schmerzen.“ Die Schmerzen dürften groß gewesen sein, zumindest was juristische Auseinandersetzungen angeht.
Wie die „Financial Times“ berichtet, gab es schon bei Nivio Ärger. Der US-Telekom-Tycoon Albert Cinelli (Metronet), der in das Unternehmen investierte, sei mit einer Zahlung von 49.500 Dollar an den Spendensammelverein des Popstars Alicia Keys nicht einverstanden gewesen. Zudem hätten Transaktionen der indischen Nivio-Tochter mit der Elektronikgruppe Videocon dazu geführt, dass Duggal im Zusammenhang mit Geldwäschevorwürfen als Zeuge geladen wurde. Er bestreitet alle Vorwürfe, die in Medienberichten gegen ihn erhoben wurden.
Kurzfristige Freuden
Trotz seines Fokus auf den „langfristigen Vorteil“ wusste Duggal die kurzfristigen Freuden zu genießen, die ihm sein Wunderkind-Status bot. In den Medien ist von teuren Autos, Reisen im Privatjet und einem Penthouse im Londoner Nobelviertel Marylebone ganz in der Nähe des Büros der Firma die Rede. Wie der „Telegraph“ berichtet, bemüht sich Duggal nun darum, Mittel aufzutreiben, mit denen er Builder AI aus der Insolvenz herauskaufen oder auf andere Weise retten will.
Die Frage ist nur, wozu. Denn Builder AI machte im vergangenen Jahr nicht den von Duggal im Aussicht gestellten Umsatz von 220 Mill. Dollar. Der reale Erlös lag mit 50 Mill. Dollar weit darunter. Zudem musste die Firma den Umsatz für 2023 neu ausweisen, nachdem Erlöse von Weiterverkäufern nicht eingingen. Medienberichten zufolge steckte auch noch weit mehr menschliche Arbeit in der „KI mit menschlicher Unterstützung“ als gedacht. Bemerkenswert ist nur, dass es Investoren wie Microsoft und Softbank offenbar nicht aufgefallen ist.