Prüfkonzern

Bureau-Veritas-Chefin Gharbi setzt auf Akquisitionen

Hinda Gharbi hat vor allem im Ausland Karriere gemacht. Als Chefin von Bureau Veritas will sie nun das Wachstum des französischen Prüfkonzerns weiter vorantreiben.

Bureau-Veritas-Chefin Gharbi setzt auf Akquisitionen

Bureau-Veritas-Chefin setzt auf Akquisitionen

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Von Gesche Wüpper, Paris

Sie gilt als zurückhaltend und entschlossen, als brillant und weltgewandt. Ähnlich wie das Unternehmen, an dessen Spitze sie steht. Denn der Prüfkonzern Bureau Veritas, den Hinda Gharbi seit 2023 leitet, steht im Gegensatz zu vielen seiner Kunden selten im Rampenlicht. So ist der Aufstieg des Inspektions- und Warenprüfkonzerns in den CAC 40 Ende Dezember denn auch ein wenig im Weihnachtstrubel und den Wirren der Regierungskrise in Frankreich untergegangen.

Seit Bureau Veritas Vivendi im französischen Leitindex ersetzt hat, gehört Gharbi zusammen mit Christel Heydemann (Orange), Catherine MacGregor (Engie) und Estelle Brachlianov (Veolia) dem exklusiven Zirkel von vier Frauen an, die an der Spitze eines CAC 40-Konzerns stehen. Für die 1970 in Tunis geborene Elektroingenieurin keine neue Erfahrung, denn sie ist es gewohnt, in männerdominierten Domänen zu arbeiten. „Ob Mann oder Frau, es ist wichtig, sich seines Wertes bewusst zu sein“, sagte sie der französischen Tageszeitung „Le Parisien“.

Prägende Erfahrung auf der Ölplattform

Als Generaldirektorin von Bureau Veritas muss sie sich nun in einem besonderen Umfeld behaupten: dem Pariser Mikrokosmos. Eine neue Erfahrung für die 1970 geborene Managerin, denn sie hat fast ihre gesamte Karriere bei Schlumberger im Ausland gemacht, nachdem sie im Alter von 22 Jahren dank eines Stipendiums von Tunesien nach Frankreich gekommen war. Nach Abschlüssen an der École Nationale Supérieure d’Ingénieurs Électriciens und dem Institut National Polytechnique in Grenoble begann sie bei dem französisch-amerikanischen Ölkonzern.

„Ich habe auf einer Ölplattform im Golf von Guinea als auf elektrisches Kernbohren spezialisierte Ingenieurin begonnen“, berichtete sie dem Wirtschaftsmagazin „Challenges“. Eine prägende Erfahrung, denn sie musste das Gestein am Meeresboden, Druck und Temperatur verstehen. „Man ist oft alleine“, sagte sie. „Wenn es nicht klappt, muss man reparieren.“ Damals habe es kein Internet gegeben und sie habe sich manchmal gefragt, was sie da eigentlich mache. „Das formt.“

Angebot zur richtigen Zeit

Schritt für Schritt hat Gharbi anschließend die Karriereleiter bei Schlumberger erklommen. So war die Elektroingenieurin nach Stationen in Schottland und Texas erst für die Asien-Aktivitäten des Konzerns, dann für die gesamte Asien-Pazifik-Region einschließlich China und Australien, die Wireline-Dienste und die Personalabteilung zuständig. 2017 stieg sie in den Vorstand auf.

Doch bei der Suche nach einem Nachfolger für den damaligen Schlumberger-Chef Paal Kibsgaard ging sie 2019 leer aus. Stattdessen kam Olivier Le Peuch zum Zuge. „Als mein Kollege ausgewählt wurde, habe ich ihm erst geholfen und bin dann gegangen“, erzählte sie einmal. Das Angebot von Bureau Veritas, zunächst als Nummer 2 bei dem Prüfkonzern mit Aussicht auf die Firmenleitung zu beginnen, sei deshalb gerade zum richtigen Zeitpunkt gekommen. Sie habe über ihre Zukunft nachgedacht, ohne jedoch zu suchen.

International ausgerichtet

Nachdem Gharbis Vorgänger Didier Michaud-Daniel Bureau Veritas von einem großen französischen Mittelständler in einen internationalen Konzern mit über 80.000 Mitarbeitern verwandelt hatte, suchte das Prüfunternehmen einen Chef, der es zu neuen Ufern bringen kann. „Wir brauchten einen künftigen CEO von Weltklasse, da Frankreich nur noch 15% bis 16% des Umsatzes ausmacht“, berichtete der frühere Wendel-Chef André François-Poncet. Als Vertreter des Bureau Veritas-Großaktionärs leitete er damals den Strategieausschuss im Verwaltungsrat des Prüfkonzerns. Sie hätten jemanden mit Charisma und Führungskompetenzen gesucht, der Komplexität und Technik verstehe, so François-Poncet. Zudem sollte der Wunschkandidat möglichst auch noch französischsprachig sein.

Übernahmemöglichkeiten im Visier

Die Bureau Veritas-Chefin habe eine starke und engagierte Arbeitsethik und verfüge über eine beeindruckende Arbeitskraft, sagt Engie-Chefin MacGregor über Gharbi, die sie aus der Zeit bei Schlumberger kennt. „Die Leute wissen, dass man sich auf sie verlassen kann.“

Gharbi, die die tunesische und australische Staatsbürgerschaft besitzt, setzt auch auf Akquisitionen. 2024 hat Bureau Veritas zehn kleine Übernahmen für insgesamt 180 Mill. Euro getätigt. Im März kündigte der Konzern dann den Kauf von Geo Assay aus Chile an, im Sommer den von Dornier Hinneburg aus Deutschland, dem Institute for Cyber Risk aus Dänemark und von Ecoplus aus Südkorea.

Großaktionär reduziert

Dagegen sind Gespräche mit SGS aus Genf über einen Zusammenschluss gescheitert. Vor allem die Aktionäre hätten darauf gedrängt, heißt es in Paris. Die Private Equity-Firma Wendel hatte nach dem Scheitern angekündigt, ihre Beteiligung weiter verringern zu wollen, nachdem sie sie bereits letztes Jahr gesenkt hatte. Hielt sie nach dem Börsengang 2007 noch 60% des Kapitals, hat sie gerade nochmal auf rund 21,4% des Kapitals reduziert. Sie hält aber noch immer 35% der Stimmrechte.