CFO Diederich macht Bayern München fit für Klub-WM
CFO macht Bayern fit für Klub-WM
Von Alex Wehnert, New York
Michael Diederich ist gerade mit seiner Frau im Urlaub, als das Telefon klingelt. Vom anderen Ende der Leitung erhält der damalige Vorstandssprecher der Hypovereinsbank ein Angebot, über das er nicht lange nachdenken muss: Mit dem Wechsel zum FC Bayern München übernimmt der heute 59-Jährige einen Traumjob. Als Finanzvorstand der AG, in der die Profi-Fußball-Abteilung angesiedelt ist, verantwortet er seit Juli 2023 Millionen-Transfers wie jenen von Stürmerstar Harry Kane mit – und muss den deutschen Rekordmeister für seine globalen Ambitionen fit machen.
Die Vereinigten Staaten werden dabei zum hart umkämpften Markt, dessen Volumen der Analysedienst Ken Research bereits auf 1,2 Mrd. Dollar beziffert – und für den er noch gewaltige Potenziale sieht. Diederich, der die USA seit seinem MBA-Studium an der Chicagoer Northwestern University in den 1990er Jahren gut kennt, hat sich vor der am Samstag beginnenden Fifa-Klub-Weltmeisterschaft noch einmal mit den Bedingungen vertraut gemacht. Bei seiner Reise nach New York im April erschließt sich ihm vor Ort, welche Potenziale in der Vermarktung des deutschen Fußballs an über 340 Millionen Amerikaner schlummern – aber auch, welcher Wettbewerbsdruck herrscht.
Harte Konkurrenz
Denn die Bundesliga und der FC Bayern als ihr erfolgreichster und international bekanntester Vertreter konkurrieren nicht nur mit den Profiligen der in den USA weitaus beliebteren Sportarten Basketball (NBA), American Football (NFL), Baseball (MLB) und Eishockey (NHL) sowie den erstarkenden Damen-Wettbewerben Women's National Basketball Association und National Women's Soccer League um die Aufmerksamkeit der Zuschauer. Sie müssen sich auch gegen die internationale Fußball-Konkurrenz durchsetzen.
Gerade die englische Premier League, bei der Klub-WM mit den Star-Ensembles von Manchester City und Chelsea vertreten, besitzt laut Analysten aufgrund ihrer größeren sprachlichen und kulturellen Nähe zum amerikanischen Publikum sowie einer seit Jahren höheren Präsenz einen entscheidenden Vorsprung gegenüber der Bundesliga, wie auch Diederich einräumen muss. Die Primera División verfügt mit Real Madrid über den Verein mit der global größten Strahlkraft, den die Beratungsgesellschaft Deloitte und das Wirtschaftsmagazin „Forbes“ als weltweit wertvollste Fußball-Medienmarke einstufen – und mit der großen hispanischen Bevölkerung in den USA über einen natürlichen Marktzugang.
Wettbewerber punkten mit Abwechslung
Die italienische Serie A ist auf amerikanischen TV-Bildschirmen laut den Sportanalysten der in Alabama ansässigen Samford University zwar noch etwas weniger präsent als die Bundesliga, kam zwischen 2022 und 2024 aber auf nahezu doppelt so hohe Wachstumsraten der Zuschauerzahlen. Denn mit Christian Pulisic spielt das Aushängeschild des US-Herrenfußballs für die AC Mailand – was das Medienkonglomerat Paramount darin bestärkt, die Berichterstattung zur italienischen Oberklasse zu intensivieren. Über CBS Sports sind viele Serie-A-Spiele in den USA sogar kostenlos verfügbar.

picture alliance / firo Sportphoto | Marcel Engelbrecht
Die anderen großen europäischen Ligen punkten beim US-Publikum, das aus NBA, NFL, MLB und NHL Abwechslung gewöhnt ist, zudem mit einem stärkeren inneren Wettbewerb. Der FC Bayern, in den vergangenen dreizehn Saisons zwölfmal deutscher Meister, leidet indes unter einem Mangel an nationaler Konkurrenz – ein Problem, das die Münchner Führungsriege um die langjährigen Lenker Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß durch aggressives Vorgehen gegen deutsche Wettbewerber mit geschaffen hat und durch dessen Konsequenzen die heutige Spitze um CEO Jan-Christian Dreesen, Sportvorstand Max Eberl und CFO Diederich die AG nun steuern muss.
Doch hat der FC Bayern, der seit elf Jahren mit einem Büro in den Vereinigten Staaten vertreten ist und 2023 eine neue Repräsentanz im New Yorker Rockefeller Center bezogen hat, seine Sichtbarkeit in den USA durch Partnerschaften mit dem Los Angeles FC und dem American-Football-Franchise Kansas City Chiefs erhöht. Und was Investitionen in den Wachstumsmarkt betrifft, besitzt Diederich durchaus Spielraum: Der FC Bayern pocht darauf, dass er schuldenfrei ist – tatsächlich hat er keine Bankverbindlichkeiten, die Eigenkapitalquote liegt bei 55%, einem von anderen Unternehmen neidvoll betrachteten Wert. Im Geschäftsjahr 2023/24 knackten die AG, die FC Bayern Basketball GmbH und der Verein kombiniert die Umsatzmarke von 1 Mrd. Euro, der Überschuss kletterte um 21% auf 43,1 Mrd. Euro.
Sportlicher Umbruch als Herausforderung
Diederich muss indes auch einen Umbruch managen. Die Sponsoreneinnahmen entwickelten sich zuletzt rückläufig, während der Verein nach dem mit sechs gewonnenen Titeln sportlich extrem erfolgreichen Corona-Jahr 2020 mehrere Spieler mit Millionen-Gehaltserhöhungen ausstattete, die in der Folge die erhofften Leistungen schuldig blieben und deren Weiterverkaufswert sich damit drastisch reduziert hat. Mit Flügelstürmer Leroy Sané lässt der FC Bayern einen Top-Verdiener nach der Klub-WM ablösefrei zu Galatasaray Istanbul ziehen.
Doch den Diplom-Betriebswirt Diederich, der seine Laufbahn nach seinem Abschluss 1993 als Wirtschaftsprüfer in Frankfurt startete, bringt das nicht aus der Ruhe. Denn in seiner Karriere als Banker, die er 1996 bei der Bayerischen Vereinsbank begann, hat er schon turbulentere Phasen überstanden. Er blieb der heutigen Hypovereinsbank mit zwei Unterbrechungen über nahezu 27 Jahre treu, wurde 2015 Vorstand für Investmentbanking und 2018 Vorstandssprecher und Mitglied im Exekutivkomitee der Mutter Unicredit.
Angebliche Reibereien mit Orcel
Insider berichten, dass der gebürtige Koblenzer sich gegen die 2021 gefällte Entscheidung von CEO Andrea Orcel auflehnte, die Effizienz- und Einsparungsbemühungen des italienischen Hauses stärker auf das Deutschland-Geschäft zu fokussieren. Nach den angeblichen internen Reibereien soll Diederich die Entscheidung, seinen Traumjob beim FC Bayern anzunehmen, noch leichter gefallen sein. Nun muss er den deutschen Rekordmeister auch über die Klub-WM hinaus für Wachstum in den USA fit machen.