Der Maschinenbauer, der die IG Metall lobt
Von Daniel Schauber, Stuttgart”Ich musste Herrn Lindner manchmal abwechselnd mit heißen Tüchern und Eisbeuteln behandeln, damit er sich wieder beruhigt”, sagt VDMA-Hauptgeschäftsführer Hannes Hesse lachend über seine Zeit an der Seite von Thomas Lindner. Drei Jahre war Lindner als Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) das Gesicht der Branche und musste sich in der Politik für die Investitionsgüterindustrie einsetzten. Seine Erfahrung fasst er so zusammen: “Es ist erschreckend, welch hohe Zahl von Politikern wenig von unseren Unternehmen und Beweggründen versteht.” Beispiele will er partout nicht nennen. Aber aus seinem Umfeld klingt an, dass nicht jeder Politiker weiß, dass “abschreiben” manchmal nichts mit Schule zu tun hat. Häme für die FDPDie schwere Enttäuschung von der Politik lässt der scheidende oberste Lobbyist von Deutschlands beschäftigungsreichster Industriebranche nach drei Jahren an der Spitze des VDMA raus: “Wir als Familienunternehmer haben keine wirkliche politische Heimat mehr – und das war schon so, als die FDP noch im Bundestag vertreten war.” Im Bundestag habe man jetzt mit “drei mehr oder weniger sozialdemokratischen Fraktionen und einer sozialistischen” zu tun. Welche Bedeutung der Mittelstand für Deutschland habe, sei vielen einfach nicht bewusst. Artenschutz für Mittelstand”Der Mittelstand ist ein Kulturelement”, sagt Lindner, und es klingt fast so, als wolle er ihn unter Artenschutz stellen lassen. Man müsse doch endlich sehen, was die regional verwurzelten Unternehmen alles für ihr Umfeld täten – bis hin zur Unterstützung für den lokalen Kaninchenzüchterverein, sagt der bullige Manager, im Hauptberuf Chef des schwäbischen Maschinenbauers Groz-Beckert. Für solche Aussagen lieben ihn die VDMA-Mitglieder, und auch für diese: “Ich bin, wie ich bin, mit allen Ecken und Kanten.”Freies Unternehmertum, weniger Staat – das ist das Credo aller Maschinenbau-Präsidenten. “Es darf nicht zur Selbstverständlichkeit werden, dass der Staat sich um alles kümmert. Im Ansatz ist das Planwirtschaft, und das hatten wir schon mal. Das wäre das Ende von Wettbewerb um Ideen, das Ende der sozialen Marktwirtschaft und damit das Ende unseres Erfolgsmodells”, sagt der 62-Jährige, der den Stab heute nach der offiziellen Wahl an Reinhold Festge (67) übergibt. Liebe zu Banken begrenztMit den großen Banken scheint Lindner dagegen zufriedener als mit der großen Politik. Das Wort Kreditklemme, mit dem die Maschinenbaulobby zuweilen Stimmung macht, nimmt Lindner bei seinem letzten Auftritt als VDMA-Präsident in Stuttgart nicht in den Mund. “Die Banken wollen uns ja im Moment mehr Geld geben, als wir nehmen wollen”, erklärt er schmunzelnd. Dass die Nachfrage nach Bankenfinanzierung derzeit bei den Maschinenbauern geringer sei als das Angebot, erklärt er so: Einerseits werde zu wenig investiert, andererseits wollten sich die Mittelständler von Banken unabhängiger machen. “Die Liebe zu den Banken ist im Maschinenbau immer noch äußerst begrenzt. Ich glaube nicht, dass sich da jemals eine innige Zweisamkeit entwickelt.” Vor allem, dass im Finanzwesen auch nach der Finanzkrise “immer noch sehr spekulativ gearbeitet” werde, beunruhige die Branche sehr. Kredite für übliche Projekte bekomme man zu normalen Konditionen, es hapere aber bei der Finanzierung von Großprojekten. An strukturierte langfristige Finanzierung trauten sich die Geldhäuser nur begrenzt heran.Viel Schelte für die Politik, ein bisschen Kritik an den Banken, gibt es nach drei Jahren Amtszeit denn auch Lob? Ja, und zwar – man höre und staune – für die Gewerkschaften. “Die IG Metall hat in den letzten zehn Jahren enorm dazugelernt”, sagt Lindner mit Blick auf die Flexibilisierung im Arbeitsmarkt, die man dringend brauche.Das ist Deutschland im Jahr 2013: Der oberste Lobbyist der beschäftigungsreichsten Industriebranche des Landes prügelt auf FDP und CDU ein und lobt die Gewerkschaften. Es sind bemerkenswerte Zeiten.