PERSONEN

Iberdrola unter Spionageverdacht

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 11.10.2019 Die dunklen Geschäfte des ehemaligen Polizeikommissars und Privatdetektivs José Manuel Villarejo halten Spaniens Wirtschaftsführer weiter in Atem. Nach der Großbank BBVA ist nun auch der...

Iberdrola unter Spionageverdacht

Von Thilo Schäfer, MadridDie dunklen Geschäfte des ehemaligen Polizeikommissars und Privatdetektivs José Manuel Villarejo halten Spaniens Wirtschaftsführer weiter in Atem. Nach der Großbank BBVA ist nun auch der Energieversorger Iberdrola in den Verdacht gekommen, die oft illegalen Spionagetätigkeiten von Villarejo in Anspruch genommen zu haben. Nach Medienberichten über neue Vorwürfe kündigte das Unternehmen am Donnerstag eine “exhaustive interne Untersuchung” an. In UntersuchungshaftVillarejo hatte über Jahrzehnte neben seinem Beruf als Kommissar eine private Firma geleitet, die oft schmutzige Dossiers auf Bestellung betuchter Kunden und Unternehmen herstellte. Dabei soll er ein Vermögen von 20 Mill. Euro angehäuft haben. Seit November 2017 sitzt der frühere Polizeibeamte in Untersuchungshaft, angeklagt wegen Betrieb einer kriminellen Organisation, Bestechung und Geldwäsche.Im Falle von Iberdrola wurden nun mehrere neue Fälle von den Online-Medien elconfidencial.com und moncloa.com veröffentlicht, die offenbar Zugang zum enormen Datenschatz des ehemaligen Kommissars besitzen, da sie auch schon andere Skandale ans Licht gebracht haben. Die Informationen basieren auf Dokumenten und Tonaufnahmen – Villarejo zeichnete gewöhnlich seine Gespräche heimlich auf.Der Stromkonzern soll die Detektei 2004 damit beauftragt haben, im Privatleben eines Richters zu forschen, der dem Bau eines Kombikraftwerks im andalusischen Arcos de la Frontera im Weg stand. Zu diesem Zweck infiltrierte Villarejo auch eine lokale Umweltschutzorganisation, die sich gegen das Kraftwerk stellte. Was genau dabei herauskam, ist aus den veröffentlichten Informationen nicht erkenntlich, aber das Kraftwerk ist seit 2005 in Betrieb. Ebenfalls in Andalusien ließ Villarejo von der weltweit operierenden US-Sicherheitsfirma Kroll Berichte über mögliche schmutzige Wäsche des damaligen sozialistischen Ministerpräsidenten und des Oppositionsführers anfertigen. Im Auftrag des Energiekonzerns schnüffelte Villarejo auch im Leben und im Umfeld von Manuel Pizarro, der von 2002 bis 2007 Vorsitzender des Stromversorgers Endesa war, dem Hauptkonkurrenten Iberdrolas. Offenbar fand der Detektiv aber nichts, was gegen Pizarro hätte verwendet werden können. Schnell reagiert Die meisten dieser Abmachungen sprach Villarejo laut den Tonbandaufnahmen direkt mit dem Sicherheitschef des Konzerns Antonio Asenjo ab, der heute immer noch im Amt ist und als Vertrauensperson des Iberdrola-Vorsitzenden Ignacio Sánchez-Galán gilt. Der 69-jährige Ingenieur ist seit 2001 bei Iberdrola, zunächst als CEO und ab 2006 als Executive Chairman. In der Pressemitteilung vom Donnerstag erwähnt Iberdrola, dass man bereits zwei Untersuchungen aufgrund entsprechender Medienberichte über die Geschäfte mit Villarejo im November 2018 und im Juli 2019 abgeschlossen habe. Diese hätten ergeben, dass “17 gewöhnliche und für die Sicherheitsabteilung angebrachte Dienste” mit der Firma Villarejos vereinbart wurden. Die neuen Vorwürfe über die vermeintlichen Machenschaften in Andalusien und gegen Pizarro seien Iberdrola bislang jedoch nicht bekannt gewesen, hieß es.Mit der Ankündigung einer internen Untersuchung reagiert Iberdrola sehr schnell auf die neuen Enthüllungen. Der Stromkonzern ist vom Beispiel BBVA gewarnt. Für die Bank hat der vermeintliche Abhörskandal mittlerweile bedrohliche Ausmaße angenommen.Das Kreditinstitut soll unter seinem früheren Vorsitzenden Francisco González den Kommissar 2005 dafür bezahlt haben, Führungspersonen der damaligen sozialistischen Regierung, des Konkurrenten Santander, zahlreiche andere Vorstände und Journalisten zu belauschen, um eine feindliche Übernahme der Bank durch den Baukonzern Sacyr zu vereiteln. Die spanische Justiz ermittelt derzeit gegen BBVA und die möglichen Konsequenzen der Affäre machen der spanischen Notenbank und der Europäischen Zentralbank Sorgen.In vielen Vorstandsetagen in Spanien sorgt man sich nun wahrscheinlich darüber, was noch alles in dem riesigen Datenfundus von Villarejo schlummern könnte.