Wechsel an der LDP-Spitze

„Eiserne Lady“ Sanae Takaichi wird Japans erste Premierministerin

Die Nationalistin Sanae Takaichi übernimmt die Führung der Regierungspartei LDP und Mitte Oktober auch das Amt der Regierungschefin. Sie will zuerst die Inflation bekämpfen, was jedoch ihren Plänen für eine lockere Fiskal- und Geldpolitik widerspricht.

„Eiserne Lady“ Sanae Takaichi wird Japans erste Premierministerin

„Eiserne Lady“ Takaichi wird Japans erste Regierungschefin

mf Tokio

Japan bekommt die erste Regierungschefin seiner modernen Geschichte. Die 64-jährige Sanae Takaichi, Wortführerin des rechten Flügels, setzte sich in der Stichwahl um den Vorsitz der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) klar gegen den 44-jährigen Agrarminister Shinjiro Koizumi durch. Ihr Sieg basierte zum einen darauf, dass im ersten Wahlgang mit fünf Kandidaten 40 Prozent der 630.000 Stimmen der LDP-Mitglieder auf sie entfielen. Viele Parlamentsabgeordnete schlossen daraus, dass ihre klassischen Wähler hinter Takaichi stehen. Zum anderen sorgte der 85-jährige Strippenzieher Taro Aso im Hintergrund dafür, dass viele Unterstützer der übrigen unterlegenen drei Kandidaten für Takaichi stimmten.

Niedergang der LDP stoppen

Die LDP-Mitglieder trauen ihr offenbar am ehesten zu, den Niedergang jener Partei zu stoppen, die Japan seit 70 Jahren fast ununterbrochen regiert hat. Mit ihrem konservativen Weltbild und ihrer erklärten Bereitschaft zu Veränderungen soll Sanae Takaichi vor allem jüngere Wähler zurückgewinnen, die zu rechts­populistischen Parteien abgewandert sind. Voraussichtlich am 15. Oktober wird Takaichi als Nachfolgerin des zurückgetretenen Shigeru Ishiba zu Japans erster Premierministerin gewählt.

Die Politikerin gilt in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik als „Falke“, plädiert für höhere Rüstungsausgaben und will durch eine enge Kooperation mit den USA und Südkorea einen Angriff von China auf Taiwan abschrecken. In der Fiskal- und Geldpolitik dagegen gab sich Takaichi bisher als „Taube“. Die frühere zweifache Ministerin sieht sich als politische Erbin von Shinzo Abe, der mithilfe einer nationalistischen Vision von einem starken Japan und einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik, bekannt als Abenomics, sechs Wahlen hintereinander gewinnen konnte. Seit 40 Jahren bewundert Takaichi auch die britische Ex-Regierungschefin Margaret Thatcher und träumte davon, Japans „Eiserne Lady“ zu werden, aber ohne Thatchers Politik der Privatisierung und Deregulierung.

Widersprüchliche Fiskalpolitik

Die Konturen ihrer Wirtschaftspolitik liegen jedoch in dichtem Nebel. Ihr Unterstützer Aso, der mit Abstand reichste Politiker Japans, war Finanzminister unter Abe und achtete dabei auf fiskalische Disziplin. Das passt nicht zur bisherigen Einschätzung, Takaichi werde die Staatsausgaben erhöhen. Sie selbst erklärte nach ihrer Wahl Maßnahmen gegen die gestiegenen Preise zu ihrer obersten wirtschaftlichen Priorität. Diese Aussage beißt sich mit ihrer anderen Ankündigung, eine „verantwortungsvolle expansive Finanzpolitik“ zu verfolgen.

Ein Mittel gegen die Inflation wäre ein stärkerer Yen, da die Abwertung von einem Drittel zum Dollar den Import von Brennstoffen und Lebensmittel spürbar verteuert hat. Takaichi denkt jedoch zunächst an Steuersenkungen, damit die Bürger über mehr Geld verfügen, etwa an die Abschaffung einer Benzinsteuer und höhere Steuerfreibeträge. Sollte ihre Regierung im Gegenzug aber die Staatsausgaben nicht kürzen, würden diese Maßnahmen die Inflation anheizen. Doch Takaichi gilt als lernfähig und könnte eher pragmatisch regieren, um lange im Amt zu bleiben, so wie ihr Vorbild Thatcher.